Emphatischer Pop und irrwitzige Texte: MANSUN erobern die britischen Charts
Jawohl, es ist wahr: Die Leute von Mansun lackieren sich die Fingernägel. Sie tragen Plüschhemden, Schlaghosen und Felljacken. Ihre Haare sind gefärbt, ihre Lippen geschminkt. Sie wirken wie die Enkel vonjimi Hendrix und Ziggy Standust, sie zelebrieren Dekadenz und Opulenz – und sie kennen kein Maß. Eine der seltsamsten britischen Bands der letzten Zeit sind Mansun – und eine der erfolgreichsten: „Das Debüt-Album „Attack OfThe Grey Lantem“ platzte in die Charts hinein wie ein unheimlicher Gast und besetzte gleich die Spitze. Es mußte das neue U2-Album kommen, um sie vom ersten Platz zu verdrängen.
Beim Interview hat sich der Sänger und Texter Paul Draper entschuldigen lassen. Er sei heute nicht gut bei Stimme. Realistischer ist, daß er nicht gut bei Laune ist. Denn später, beim Konzert, wird er singen wie ein junger Gott. Immerhin sind Schlagzeuger Andy Rathbone und Gitarrist Dominic Chad gekommen, um mit kräftigen Worten ein paar Dinge richtigzustellen. In der Presse seien sie mit dem Satz zitiert worden, wenn sie nicht größer als R.E.M würden, schmissen sie die Brocken sofort hin. „Das war nicht auf R.E.M, gemünzt“, erklärt Dominique. „Wir hätten auch U2 oder die Rolling Stones erwähnen können. Wir denken in großen Maßstäben.Unser Erfolg soll immer größere Kreise ziehen. So groß, wie wir werden können, wollen wir auch werden.“ Klar doch.
Die Zukunft des Rock’n’Roll? So ähnlich schätzen sich Mansun selbst ein. Auch die Londoner Hype-Presse ist bereits auf diesen Tenor eingestimmt Mansuns Musik funktioniert nach dem Prinzip der totalen Offenheit – man könnte auch sagen: der mangelnden Filterung.Jeder StiL der etwa zwischen 1966 und 1976 entstand, ist als Einfluß willkommen: von den Beatles bis Bolan, von den Byrds bis Bowie. „Im Studio haben wir jeden Einfall sofort aufgenommen“, erzählt Andy. Jeder Sound, jede Idee war per se gut Wir wollten anhäufen, sammeln, alles hineinbringen.“ So wirkt „Attack Of The Grey Lantern“ seiner Überfülle nicht wie ein Debüt-Album, sondern wie ein Spätwerk. „Angesichts der vielen Singles, die wir vorher gemacht haben, ist es das auch“, bestätigt Dominic. Das Album ist ein überladenes, neurotisches Statement einer Band, die uns mal daran erinnern will, daß das Jahrhundert zu Ende geht. Bedauerlich nur, daß der Mann, in dessen Kopf diese Musik und Texte ausgebrütet wurden, nicht bei Stimme ist Darüber müßte man mal gesondert reden.
Gegen die Phantasmagorien Paul Drapers sind die Texte von Oasis Schunkellieder und diejenigen von Blur Kinderreime. Draper ist der Typ Mensch, der sich bereits am Kreuz hängen sieht: „Am I Jesus, am I a man or am I a boy/ Do I feel love or just posession/ Do I feel holy or nothing at all/ bu can’t deny that your shit tastes as sweet as mine, sweet Jesus.“ Alles drin: Blasphemie, Wahn, Erlösungsphantasien. Christ, you know it ain’t easy. Paul Draper ist wahrlich zum Popstar prädestiniert „Hier merken wir noch gar nichts vom Erfolg“, meint Andy. „Aber in Asien war die Hölle los.“ Im Winter verbrachte die Band eine wilde Woche in Japan. Sie müssen sich gefühlt haben wie die Beatles bei ihrem ersten US-Besuch. Durch ihre Singles waren Mansun auch hier bekannt. Und so setzte ein Sturm auf das einzige Konzert ein, wo sie kreischende Girls empfingen. „Mann, das war echt bizarr“, stöhnt Dominic Chad. Selber bizarr.