Von den Fundamentalisten verfolgt, von Popfans gefeiert: der Algerier KHALED
Verboten von den Fundamentalisten, bedroht von den Rechtsextremisten – der Algerier kann sich über mangelndes Interesse nicht beklagen. Die Security vor der Straßburger Rhenus-Halle ist in erhöhter Alarmbereitschaft: Taschen und Mäntel werden sorgfaltiger durchsucht als sonst, die Veranstalter befurchten Anschläge von algerischen Fundamentalisten und französischen Rechtsextremisten.
Wenn beide sonst nichts verbindet, so doch der Haß auf den algerischen Sänger, der heute in Straßburg auftritt. Für die Islamisten ist der „König des Rai“ ein Nestbeschmutzer, weil er auf arabisch über verwerfliche Dinge wie Sex, Drugs und – noch schlimmer – die Freiheit singt Vor siebenJahren wanderte er aus Angst um das eigene Leben ins französische Exil aus. Wo er nun von der „Front National“ gejagt wird, weil er zu jenen unerwünschten Einwanderern zählt, die der braune Polterer Le Pen wegen „Ungleichheit der Rassen“ am liebsten aus dem Land jagen will.
Der 37jährige Arbeitersohn aus der algerischen Hafenstadt Oran hat sich von den Angriffen bislang indes nicht beeindrucken lassen. Rai bedeutet Meinung – und immer wieder hat er seine Ansichten zu freier Liebe oder zu Alkoholexzessen (die manchmal einfach notwendig sind, um die Folgen unerwiderter Liebe zu bewältigen) in jene Rhythmen verpackt, die seit Mitte der 80er Jahre nicht nur in Nordafrika populär sind.
Mit seinem ersten französischsprachigen Song – der Ballade von der starken Frau „Aicha“, die den Machos unmißverständlich klarmacht, daß Mann Liebe nicht kaufen kann – hat er jetzt seinen ersten internationalen Hit. Auch von den deutschen Radio-Sendern wird die laszive Hymne mehrmals täglich gespielt, und auch das Album „Sahra“ ist erstmals in die bundesdeutschen Charts geklettert.
Kein Wunder – die unwiderstehlichen Collagen aus Rai, Rap, Reggae und Pop sind mehr auf westliche Hörgewohnheiten zugeschnitten als die Songs seiner frühen Alben. Dafür sorgten diesmal internationale Kollegen wie ProduzentenCrack Don Was, der jamaikanische Reggae-Guru Clive Hunt, Rita Marley und die französische Rap-Combo IAM.
Besonders stolz ist Khaled auf die Zusammenarbeit mit einem französischen Komponisten jüdischer Abstammung – Jean-Jacques Goldman. Juden, Araber, Christen – wir sitzen doch alle in einem Boot. In meinen Songs ist für Rassismus kein Platz. Solche Partnerschaften besagen manchmal mehr ab große Worte; sie können ein Zeichen setzen vor allem für junge Algerier, die von den Islamisten immer mehr zur Intoleranz erzogen werden.“
Während Khaled in Deutschland bislang nur als exotisches Aushängeschild einer tanzbaren Weltmusik gehandelt wird, ist er für die Millionen arabischstämmiger Einwandererkinder in den Vorstädten der französischen Metropole ein Held, eine Stimme, die ihnen Identität und Hoffnung gibt. In seiner algerischen Heimat sieht es nicht anders aus, auch wenn Khaled-Cassetten hier nur auf dem Schwarzmarkt gehandelt. Aber angesichts des täglichen Terrors in Algerien reicht vielen verzweifelten Kids das bißchen Pop-Eskapismus nicht mehr aus: Sie hören zwar Rai-Musik – und lassen sich dann doch als fundamentalistische Untergrundkämpfer anwerben.
Khaled wechselt aus Angst vor Attentaten ständig seinen Wohnsitz. Er weiß, daß er auf der Todesliste steht.