BOXEN OHNE MASKE. Das legendäre Box-Camp in New Jersey
Die deutschen Boxer, durch das Medien-Tam-Tam zu Glamour-Gladiatoren stilisiert, werden in den USA nur milde belächelt. Wer die legendären Boxcamps in New Jersey besucht, kommt mit der Erfahrung zurück, daß Show und Schweiß noch immer zwei Paar(Hand-)Schuhe sind
Daß Manhattan wenig mit Amerika zu tun hat, stellt man immer wieder verblüfft fest, wenn man es verläßt. Dazu genügen oft wenige Meilen. Zum Beispiel eine halbstündige Autofahrt nach West Orange in New Jersey – einer der ländlichen Vororte von New York, die ein erprobter Städter als verschlafenes Nest bezeichnen würde. Man haßt oder man liebt diese „nichtssagenden“ Kleinstädte mit den verstreuten „Holz- und Backsteinhäusern“, den „wuchernden Bungalows“, den „wuchtigen Supermärkten“, den „gestaffelten Reihen von Gebrauchtwagen“, die entlang der wenig befahrenen Hauptstraße parken.
es ist frappierend, wie diese Beobachtungen, die Robert Lowry vor 50 Jahren niederschrieb, auch heute noch zutreffen. In seinem Roman „Tag, Fremder“ beschreibt der Autor, der 1995 in einer Nervenklinik in Cincinnati verstarb, aber keine x-beliebige Gegend. „Hier war man im Boxerland. Hier waren die Trainingscamps der Boxer und die Hotels, in denen die Fans abstiegen.
Am bekanntesten war das von New York aus bequem erreichbare Camp von Pompton Lake, wo etwa der Braune Bomber trainierte oder auch Sugar Ray Robinson. Neben den Trainingshallen gab es hier ein kleines Hotel, denn Pompton Lake war der Wallfahrtsort zahlreicher Prominenter von Marilyn Monroe bis Mickey Spillane, die hier authentische Boxluft schnuppern wollten.
Das alte Champ-Camp existiert nicht mehr, doch die Boxtradition von New Jersey wird heute in West Orange weitergeführt, und zwar im „Boxgym‘ 4 von Marc Roberts, der mit seiner „Worldwide Entertainment & Sports Corporation“ drei ehemalige Weltmeister unter Vertrag hat: Tracy Harris Patterson 0unior Leichtgewicht), Charles „The Narwal“ Murray (Junior Weltergewicht), Ray „Mercüess“ Mercer (Schwergewicht). Mit an Bord ist auch Shannon Briggs, der als die Zukunft im Schwergewicht gehandelt wird.
Der Eingang zum House of Pain, wie das Gym genannt wird, liegt in einem kleinen, verwahrlosten Hinterhof; in der Ecke rostet ein geplündertes Autowrack vor sich hin. In der ehemaligen Garage ist gerade Platz genug für einen Boxring und einige Fitneßgeräte. Die Atmosphäre erinnert erneut an den Roman von Robert Lowry, der ein vergleichbares Gym der 40er Jahre beschreibt – leicht verstaubt, aber sympathisch. Erst als später die schwarze Stretchlimousine von Marc Roberts vorfahrt, kann man sich schon eher vorstellen, daß an diesem Ort Boxgeschichte gemacht wird.
Steve, der 32jährige Co-Trainer mit Bodybuilderfigur, öffnet die Pforten des Allerheiligsten. Routinemäßig überprüft er die Geräte, sucht die Handschuhe zusammen, legt die Bandagen für die Hände seiner Schützlinge zurecht und schaltet die Heizung ein. „Um zwei Uhr sind alle da“, versichert er mir. Steve ist für das Fitneßprogramm verantwortlich. Er scheucht sie in die Wälder rund um West Orange, wobei aber selten mehr als drei, vier Kilometer gelaufen werden. „Übermäßiges Lauftraining ist für keinen Kämpfer gut.“ Das wisse doch jeder, erklärt er mir mit leicht indigniertem Ton. Verunsichert rufe ich mir die Bilder des deutschen Boxhelden Henry Maske in Erinnerung, wie er schwitzend über endlose Straßen läuft. „Täglich zehn Kilometer und mehr“, hatte doch der Kommentator voller Bewunderung gesagt.
Schwamm drüber. Ein gütiger älterer Herr kommt auf mich zu. Es ist Tommy Parks, der 68jährige Cheftrainer, der früher selbst Profiboxer war und mit Sugar Ray Robinson in Pompton Lake trainierte. Zur großen „Fighter“-Karriere allerdings hat es bei Parks nie gereicht. „In der Army sah ich reihenweise Kids“, erzählt er, „die erheblich mehr Talent hatten als ich. Also sparte ich das nötige Geld, um diese Jungs nach New Jersey zu holen.“
Zu seinen Schützlingen gehörten klingende Namen wie Hurricane Carter, Livingstone Bramble und Bobby Joe bung. „Das Training fand hauptsächlich im Freien ab. Die Ausdauer holten wir uns durch Laufen und die Muskeln durch Holzhacken. Stundenlang, das glaubt heute keiner mehr. Und vor dem Kampf gab es Steaks, obwohl die wie Steine im Magen lagen.“
Daß Ernährung und Training inzwischen nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen aufgebaut sind, versteht sich von selbst, doch Parks‘ abfällige Geste läßt keinerlei Zweifel daran, was er von den „wissenschaftlichen Methoden“ tatsächlich hält. „Man kann nicht alles neu erfinden wollen. Ein Jab ist ein Jab, eine Rechte eine Rechte, ein Haken eben ein Haken. Und im Ring stehen sich immer noch zwei Männer gegenüber, von denen jeder gewinnen will.“
Was hält ein Box-Routinier wie Tommy Parks, der inzwischen nun 40 Trainerjahre auf dem Buckel hat, eigentlich vom deutschen Boxsport, der sich ja bekanntlich seit Henry Maske einer ungeahnten Popularität erfreut?
,Ja, ja, die deutschen Boxer.“ Der leicht süffisante Tonfall läßt ahnen, daß jetzt nicht gerade euphorische Lobeshymnen folgen werden. Ja, die sind nicht übel, Maske vor allem. Aber der boxt mir einfach zu fade, der versteckt sich hinter seiner Technik. Das boxerische Feuer, auch der Unterhaltungwert, kommt mir dabei entschieden zu kurz. Und ein Boxkampf ist nun mal immer auch ein Stück Unterhaltung.“
Bei einem Boxer wie Maske könne es schnell passieren, daß er vor dem Fernseher einschlafe. Auch ein Axel Schulz sei gar nicht schlecht, aber letztendlich säßen die besseren Kämpfer und die besseren Trainer hier, auf dieser Seite des Atlantiks. „Ich weiß, ich habe Vorurteile“, gibt der Parks lächernd zu. Aber die könne er sich auch leisten, weil er wisse, daß er mit seinem Urteil recht habe.
Daß es auch mit der deutschen „Sauberkeit“ im Boxsport nicht so weit her ist, möchte Parks nicht kommentieren. Krasse Fehlurteile und offensichtliche Schiebungen – wie zuletzt im Kampf „Rocky“ Rocchigiani gegen „Tiger“ Michalczewski, wo fast „der Falsche“ gewonnen hätte – gibt es überall auf der Welt, und der Schritt von geschäftstüchtiger Raffinesse zum miesen Trick ist bekanntlich ein kleiner.
„Rocky“ hatte sich übrigens auf den damaligen Kampf in Amerika vorbereitet. Im Kronk Gym. von Detroit mußte auch er feststellen, daß in den US-Boxhallen ein anderer Wind weht. Boxen ist hier immer noch auch Hoffnung auf Veränderung, auf den sozialen Aufstieg, der die Ghetto-Kids aus den Slums führen soll. Man würde dort das Boxen förmlich atmen, stellte „Rocky“ fest. Und man könne es körperlich spüren, daß es nur ein Ziel gibt – nämlich der Champ zu sein.
Von diesem Existenzkampf ist im House of Pain in West Orange kaum etwas zu spüren. Wer hier trainiert, hat es längst geschafft, den sozialen Aufstieg inklusive.
Co-Trainer Steve hat inzwischen alles vorbereitet. Unruhig rutscht er auf seinem Hocker hin und her und wartet auf seine millionenschwere Schützlinge. Dollars, Dollars und Dollars – auch für Geschäftsführer Marc Roberts scheint nichts anderes zu zählen. In keinem anderen Business, sprudelt es förmlich aus dem 37jährigen heraus, könne man so viel Geld verdienen wie im Boxen. „Stellen Sie sich nur vor“, erklärt er begeistert, „Sie nehmen einen vielversprechenden Boxer unter Vertrag. Er gewinnt einen Kampf und dann noch einen. Für den dritten Kampf bekommt er bereits eine Börse in Millionenhöhe. Sollte er den auch noch gewinnen, kassiert er beim nächsten vielleicht schon zehn Millionen. Und das innerhalb von ein, zwei Jahren. Wo gibt’s das sonst?“ fragt er mit der Unschuldsmiene eines Priesters. „Und wir sind an der Börse mit 25 Prozent beteiligt“, fugt er nach einer kurzen Pause an.
Bereits mit 19 Jahren hatte Marc Roberts die Universität gegen das Immobilien-Business eingetauscht. Neun Jahre und diverse Millionen später nahm er seine ersten Boxer unter Vertrag. Alles schien bestens zu laufen, bis Roberts 1991 beschloß, mit seiner Firma an die Börse zu gehen. Doch ein spleeniger Broker, der sich seinen Jugendtraum vom eigenen Boxstall erfüllen wollte, besorgte sich über Strohmänner die Aktienmehrheit und Marc Roberts hatte nichts mehr zu bestellen. Für die Boxer wie Ray Mercer, der 1988 olympisches Gold gewonnen hatte, bedeutete es den sportlichen Abstieg: schlechtes Management, falsche Trainer, verlorene Kämpfe. Als die Firma sportlich und finanziell vor dem Ruin stand, wurde Marc Roberts zurückgeholt. Von da an ging es wieder bergauf.
Heute hat Worldwide Entertainment neben seinem Boxstall noch zahlreiche hochkarätige Sportler aus Baseball, Basketball und Football unter Vertrag. Und Roberts ist unumschränkter Herrscher eines der größten „Sport-Imperien“ in den USA und darf von der größten Börse träumen, die je gezahlt wurde: 100 Millionen Dollar für einen Boxer. „Glauben Sie mir“, sagt er insistierend, „spätestens im Jahr 2000 wird es soweit sein.“
Als es an der Tür mehrmals heftig klopft, wirft Co-Trainer Steve reflexartig einen Blick auf seine Armbanduhr, bevor er mit erleichtertem Lächeln aufspringt, um zu öffnen. Ein tiefes „Hi“ ist zu hören, und Ray Mercer betritt die Halle mit einem Gesichtsausdruck, der seinem Beinamen „Merciless“ alle Ehre macht. In der Realität wirkt Mercer, der 16 seiner 23 Kämpfe durch K.O. gewonnen hat, noch furchterregender als auf Fotos. Heute ist Mercer nurmehr ein „former WBO Heavyweight World Champion and the IBF Intercontinental Champion“, doch er zählt noch immer zu besten Boxern der Welt. „Ich bin nicht kleinzukriegen“, sagt der 35jährige von sich selbst. „Ich komm aus dem Ghetto und weiß, was unten ist.“
Ray Mercer hat sich nach oben geboxt. Für tausende von ljungen, schwarzen Kids ist seine Karriere Vorbild und Traum. Aber Mercer stände auf der Karriereleiter noch ein ganzes Stück weiter oben, hätte er im Juni des letzten Jahres nicht den umstrittenen Kampf gegen Lennox Lewis verloren. Mercer hätte seinen Gegner schon k.o. schlagen müssen, um die Ringrichter umzustimmen. Das Urteil war ein Skandal, ein „Beschiß“, wie die „Daily News Sports“ schrieb, den aber selbst derv Einfluss von Manager Marc Roberts und seiner Firma nicht verhindern konnte.
„Klar macht mich das noch immer rasend“, gibt Mercer sichtlich erregt zu. „Aber was soll man in dieser Situation schon machen? Aufhören vielleicht? Nein, das ist nichts für mich!“ Er macht dazu mit seinen riesigen Pranken eine abwehrende Handbewegung. Außerdem wisse er ja, daß er Lewis geschlagen hat – und all die anderen auch, die den Kampf gesehen haben. „Ich bin ein Mann, ein Kämpfer. Ich gebe nicht auf, nur weil ich weiß, daß irgendwann einmal dieser Tag ohnehin kommen wird.“ Zur Bestätigung seiner Aussage haut er mit der Faust auf den Tisch.
Von hinten kommt ein zustimmendes Ja, Mann“, das von Tracy Patterson stammt, der unsere Unterhakung verfolgt hat. Was Mercer geschah, ist ihm bereits zweimal widerfahren. Auch wenn seine Augen das Gegenteil zu behaupten scheinen, meint er ganz cool, so was müsse man ertragen können, sonst habe man in diesem Geschäft sowieso nichts verloren.
Neben dem Camp-Kollegen Mercer sieht Tricky Patterson fast wie ein Zwerg aus – der Unterschied zwischen Leicht- und Schwergewicht eben. Tracy, natürlich nicht minder durchtrainiert, ist allerdings deutlich artikulierter als Mercer. Im Gegensatz zu ihm hatte es Patterson, was die soziale Ausgangsbasis betrifft, auch erheblich einfacher. Tracy wurde von Floyd Patterson, dem ehemaligen Weltmeister im Schwergewicht, adoptiert – die Boxhandschuhe wurden ihm förmlich in die Wiege gelegt. Für Tracy war Boxen nie gleichbedeutend mit dem Ausbruch aus sozialem Elend, für ihn war Boxen immer nur Sport.
Vbn fehlender Härte und Durchsetzungskraft kann bei dem heute 32jährigen trotzdem nicht die Rede sein: Von 54 gewann er 39 Kämpfe durch Knockout. Auch er war schon zweimal Weltmeister, sogar in zwei unterschiedlichen Gewichtsklassen, im „Super Bantamweight und im „Junior Lightweight“.
Steve hat in der Zwischenzeit damit begonnen, Ray die Hände zu bandagieren. Tommy Parks, der Trainer, sitzt mit Marc Roberts, dem Manager, hinten auf einer Gerätebank. Beide scheinen zwanglos zu plaudern, wobei Roberts ständig das Wort führt, während Parks dazu geistesabwesend nickt. „So sieht’s immer aus“, grinst Patterson. „Wenn Marc erst einmal anfangt zu reden, ist er nicht mehr zu bremsen. Ich kann’s mir zwar nicht wirklich vorstellen“, fügt er lächelnd hinzu, „aber vielleicht ist er ja deswegen so erfolgreich.“
Immerhin sieht Roberts das Business auch als sportliche Herausforderung: immer der erste, der beste, der schnellste, der ausdauerndste zu sein. Ab College-Kid veranstaltete er seine ersten Amateur-Kämpfe, weil er den Boxsport liebte und weil er ein bißchen Geld machen konnte. Heute liebt der 37jährige den Sport Geldmachen – und Boxen ist ihm dazu das geeignete Mittel. Das Risiko ist zwar erheblich, aber in gewissen Grenzen durchaus kalkulierbar. Und so klopfen denn regelmäßig Wirtschaftszeitungen bei Marc Roberts an, um von ihm die zehn goldenen Regeln zum Reichtum zu erhalten. Sein oberstes Gebot, das er angeblich Tag für Tag praktiziert, besteht darin, seinem Gegenüber stets das Gefühl zu geben, der König zu sein. Mit dieser Taktik, so Roberts, fahre man am besten. Tatsächlich ist seine Freundlichkeit penetrant und ziemlich unausstehlich – was wohl auch Tracy und Ray so sehen, die sich nach einem Blick in Richtung Roberts vielsagend zugrinsen. Immerhin hat der Mann beide Boxer zu Millionären gemacht.
Von den deutschen Boxern halten Patterson und Mercer natürlich auch nicht viel. Außer Henry Maske sind alle anderen allerdings totale No-Names für sie. Und wie schon Tommy Parks, so meinen auch sie, Maske boxe nicht attraktiv genug. Boxen soll doch auch Spaß machen und den Zuschauern etwas bieten, meint Ray. „Wenn zwei Männer inden Ring steigen und es zwischen sich ausmachen, muß was passieren. Immer nur Technik und Taktik ist doch öde“, sagt er und setzt zu imaginären Schwingern an, die eine Vorstellung von dem Schlagpotential dieses Mannes geben.
Neben diesem Koloß von Mann wirkt sein Trainer, dem man bei seinem sanften Gesichtsausdruck nicht einmal hartes Wort zutraut, geradezu zerbrechlich. Wie passen Tommy Parks und Ray Mercer zusammen? Wie, frage ich mich, kann er diesen Mann motivieren, wie kann er ihm Dampf machen?
Für Parks ist die Frage einfach beantwortet. Einmal sei Mercer einer der härtesten Burschen, die er kenne, der auch dann noch steht, wenn alle anderen schon auf dem Arsch säßen. Außerdem habe er nun mal nach 40 Trainer-Jahren ein psychologisches Händchen dafür, mit den unterschiedlichen Leuten auch unterschiedlich umzugehen.
„Nach jahrelanger Zusammenarbeit bin ich für einige dadurch geradezu ein Vaterersatz geworden“, erklärt Parks. Das wichtigste Element sei ohnehin das Privatleben der Boxer. Wenn das stimme, stimme auch die Einstellung beim Boxen. Man könne Tausende von Plänen und Taktiken Runde für Runde aufstellen – wer aber in seinem Privatleben keinen Frieden habe, könne auch keinen im Ring haben. Überflüssig zu erwähnen, daß in diesem Fall Frieden nichts anderes als Erfolg bedeutet.
Auch mit Tracy Patterson gäbe es in diesem Punkt keinerlei ernsthaften Probleme, versichert der Trainer. „Den muß ich manchmal sogar richtig bremsen, damit er nicht zu viel macht.“ Er sei ein wunderbarer, defensiver Boxer mit einem guten Schlag-Repertoire, wenn ihm auch die Härte noch etwas abgehe. Dafür sei er ja ausnehmend schnell und wendig, obendrein auch ein fairer Boxer. „Denn darauflege ich nach wie vor gesteigerten Wert“, versichert Parks und verschränkt dabei wie ein Feldherr die Arme vor dem Oberkörper.
Patterson sei aufgrund seines geringeren Gewichtes auch derjenige, der bereits nach ein paar Wochen intensiver Vorbereitung auf einen wichtigen Kampf topfit sei; Mercer brauche dagegen erheblich länger, mindestens zehn Wochen, oft sogar noch mehr.
Der Mann, der heute Nachmittag zwei ehemalige Weltmeister trainieren wird, sieht mit seinem gestreiften Hemd und der zerbeulten Hose so gar nicht aus wie der klassische Meistermacher. Was ja oft genug nicht Indiz für ein schwindsüchtiges Bankkonto ist, sondern eher für ein ausgeprägtes Understatement. Ob man als Boxtrainer überhaupt reich werden könne, frage ich ich naiv.
„Hängt ganz davon ab, wie man Reichtum definiert“, erwidert der alte Mann salomonisch. ,»Natürlich macht man beim Boxen Geld, und das bestimmt nicht schlecht. Sogar hinter den Kulissen als Trainer, um auf Ihre Frage zurückzukommen.“ Er lacht spöttisch. „Man muß es nur richtig investieren.“
Abrupt steht er auf, nuschelt etwas von „Auf Wiedersehen und Gute Fahrt“, gibt mir einen laschen Händedruck, den man selbst von einem ehemaligen Boxer nicht erwartet, und marschiert zu seinen Schützlingen, die mit ihren bandagierten Fäusten auf klapprigen Stühlen sitzen und warten. „Los geht’s, Jungs, auf in den Ring.“
Steve zeigt mir freundlich, aber bestimmt die Tür hinaus in den Hinterhof. Die schwarze Stretchlimousine ist verschwunden, das rostende Autowrack, das angesichts der vorstädtischen Super-Sauberkeit wie ein extraterristrischer Fremdkörper wirkt, schlummert in den letzten Sonnenstrahlen still vor sich hin.
Es wird vermutlich auch noch im nächsten Jahr hier stehen. An Äußerlichkeiten haben die Männer hier garantiert noch nie einen Gedanken verschwendet.