Suede / Boo Radleys – Hamburg, Grosse Freiheit
Britpop, my ass! Die bessere Band spielt, wie es sich gehört, im Vorprogramm – und entgegen der Expertenmeinung, die Boo Radleys versagten regelmäßig auf der Bühne, euphorisiert das Ensemble mit psychedelisch ausfransenden Fassungen von ihrem Pop-Meisterwerk „Wake Upl“. Songschreiber Martin Carr verschanzt sich hinter Gitarre und unter Schirmmütze, während es Herrn Egghead, dem glatzigen Sänger, zwar an Charisma gebricht (ganz anders als Brett Anderson!) – dafür singt er bravourös.
Dann verlöscht das Licht, atmosphärisch wabern Streicherklänge durch den Raum, worauf endlich der dünne Mann ans Mikrophon tritt. Anderson hat zwar den Verrenkungs-Wettbewerb in sämtlichen Kategorien (Fingerzeig ins Publikum, mit ausholender Geste einen Horizont andeuten, Schultern und Becken kreiseln lassen) gegen Jarvis Cocker verloren, doch sein überraschend untheatralischer – und bald bloß lustloser Vortrag ist der Technik geschuldet: Der Monitorstöpsel im Ohr funktioniert nicht – so scheitern die Epigonen der 70er Jahre an den Zumutungen der Gegenwart.
Dabei hat es mit dem blöd leiernden „Filmstar“ und dem tränenblinden „Trash“ so schön begonnen, bei der Schnulze „Saturday Night“ brennt vorn rechts ein Feuerzeug. Gerade zieht der Britpop-Fan, mild gelangweilt, seine Joppe über, da entschuldigt sich der nun bös unmutige Sänger für das Problem und verkündet, man werde sogleich – nach 50 Minuten – das letzte Stück spielen. „The Beautiful Ones“ nämlich. Und wirklich: Licht an, Band weg, leise murrende Zuhörer schieben dem Ausgang entgegen. Wie geahnt: Brett, der Schnösel! Das wäre bei Oasis nicht so friedlich abgegangen.