Daß Spaß made in Kölle nicht immer Karneval evozieren muß, beweisen L.S.E. Die drei sind nämlich tagtäglich jeck
Tu felix Colonia, da hast es besser. Du hast ein Humor-Potential, um das dich jede andere deutsche Stadt beneiden muß. Du hast ein Idiom, das diesen Humor, besser als jeder andere Dialekt, weit über das Umland hinaus massenkompatibel macht, du hast Einwohner, die dieses Idiom pflegen und hartnäckig gegen alle Reformen, Trends und andere Zeitgeist-Krankheiten verteidigen – und du hast L.S.E.
Was mit dem Kürzel für den Rinderwahn nichts zu tun hat, denn den L.S.E.-Wahn gab es schon lange zuvor; was vielleicht mit einer gewissen, bewußtseinsverändernden Droge zu tun haben könnte; was aber schlußendlich für die Initialen der drei Herren Lammers, Steffen und Engel steht.
Besagte drei Herren haben, jeder für sich, eine Vita, die Bände füllen könnte. Nur so viel: Rolf Lammers, Gesang und Keyboards, ist Produzent und Ex-Mitglied der kölschen Kult-Band De Black Föss, Arno Steffen, Gesang und Gitarren, ist Kölns musikalischer Hans-Dampf-in-allen-Gassen und hat von Pomp-Deutschrock (Triumvirat) über vertonte Rundumschläge (z. B. seine LP „Schlager“ von ’84) bis hin zur tatkräftigen Unterstützung von Kölns HipHop-Nachwuchs absolut nichts ausgelassen. Bliebe noch Tommy Engel, Gesang, Drums, Gitarren, ebenfalls Ex-De Black Föss-Mitglied, eine Kölner Kultfigur von fast Millowitsch’schen Dimensionen, die beim Kneipenbummel im Viertelstundentakt Autogramme geben muß.
Wie ähnliche andere Projekte entsprangen auch L.S.E. jener unter Musikern grassierenden Floskel: „man sollte mal was zusammen machen“. Oder wie es Arno Steffen exakter auf den Punkt bringt: „Der Reiz wat, diese drei Köpfe, die unterschiedlicher nicht sein können, die sich aber schon so lange kannten, mal auf einen Nenner zu bringen.“ Und Tommy Engel präzisiert: „Wie lange das Thema bereits in der Luft lag, kann man daran sehen, daß uns der Conny Plank (ein legendärer deutscher Produzent) stark beeinflußt hat. Und Conny ist ja leider schon ’87 gestorben.“ ’92 aber hatte das Spaßprojekt konkrete Formen angenommen, denn da erschien mit „Für et Hätz unjäjen dr Kopp“ das erste L.S.E.-Album. Das dank des Songs „Sein lassen“ in Köln und Umgebung Kultstatus erlangte (über 120 000 verkaufte Exemplare!). „Sein lassen“ erzählt die Geschichte vom kleinen Ralf, der beim Kaufhausbummel seiner Familie in der Feinkostabteilung, nur „mit einem gelben Gießkännchen bekleidet“ ins Hummerbecken geplumpst ist und dort fast ertrunken wäre.
„Ruhm kennt keine Grenzen“, das zweite, ’94 erschienene Album, hatte mit Jede Morje ess ich ene Hungk“ einen ähnlichen Lachgaranten, erzählt der Song doch die Geschichte eines städtischen Krokodils, das vom Gartenamt für das „Kleintierbeseitigungsgeheimprogramm“ engagiert wurde und in dieser Funktion jeden Morgen erst einmal genüßlich einen Köter verspeisen darf.
Natürlich darfauch auf dem jüngst veröffentlichten Album „AUA“ ein solches Kabinettstückchen nicht fehlen. Hier ist es die Geschichte vom kleinen „Champion“, der seine Rolle als Pilz in der Botanik lieber gegen die des gleichnamigen Getränks mit der Schaumkrone tauschen würde. Und da der Humor bekanntlich keine Grenzen kennt, haben sich L.S.E. mit „Hallebad“ unserer türkischen, mit „Kopfe sneide“ unserer spanischen und mit „Limbo italo“ unserer italienischen Landsleute angenommen – natürlich mit der entsprechenden Phonetik (leicht verkölscht) und der landestypischen musikalischen Untermalung.
A propos Grenzen: Der 11O-km-Radius um Köln, in dem man bislang tourte und Platten verkaufte, soll nun durchbrochen werden. Erste kleinere Erfolge sind auch schon zu verzeichnen, denn während man in München nur etwa zehn LPs absetzen konnte, waren’s allein auf dem Hamburger Kiez, wo sich diverse Kölner Luden tummeln, gute 100.
Daß gut Ding Weile haben will, ist auch Rolf Lammers klar: ,Wir haben bislang ja so viele andere Sachen gemacht und fangen rein zeitlich gesehen mit L.S.E. erst jetzt richtig an.“ Was eine Epidemie befürchten läßt, denn Kölner Humor ist ansteckend!