Jenseits von allem Easy-Listening: Die Cardigans und ihre Schwedenhappen
Alles so hübsch hier. Der Himmel über Malmö ist marineblau, die Straßen in Wirklichkeit Gäßchen. Und die jungen Frauen lachen, als hätten sie in der Kindheit nie den Verlust ihres Lieblingsponys verkraften müssen, während die jungen Männer tagsüber den Öresund rauf- und runter rudern. So frisch sehen die aus.
Das Tambourine-Studio ist selbstredend nicht einer dieser Verschlage, in dem leere Bierdosen vor sich hinrosten und die Motivtapete von den Wänden blättert. Im Gegenteil. Während hier das gerade fertiggemischte neue Album der Cardigans zur ersten Hörprobe abgespielt wird, fragt man sich ernsthaft, warum nicht alle Menschen ihre Wohnungen in diesem wunderbar warmen Lindgrün streichen.
Nicht nur das fragt man sich. Die Produktion macht Staunen, mehr denn je präsentieren sich die Cardigans auf „First Band On The Moon“ als Könner in Sachen Arrangement. Ein bißchen erinnert es an den Käsekuchen vom Abend zuvor, der vielleicht gar nicht zu unrecht vom Restaurant ab der beste im Umkreis von 2000 Meilen gepriesen wurde: so füllig, so weich, und oben drauf eine Kelle Erdbeermarmelade.
Doch jetzt mal Tacheles: Wie das schwedische Quintett hier bloß ihren opulenten Instrumentenpark (massig Streicher und Bläser) in Anordnung bringt, erinnert an den Meisterproducer Mitchell Froom. Alles in Schwingung, alles transparent. Der Groove ist gläsern, und genug Platz für komische Geräusche – in und zwischen den Songs bleibt auch. Hardrock-Drum-Soli passen hier ebenso rein wie verzerrte UFO-Klänge.
„Ich bin froh, daß Dir das aufgefallen ist“, sagt Sängerin Nina Persson. „Wir haben diesmal sehr viel mit Sounds experimentiert und bewußt ein paar härtere benutzt. Wir wollten uns möglichst weit vom vorherigen Album entfernen. Auch weil man uns mehr mit diesem Easy-Listening-Ding assoziierte, als uns lieb war.“ – Mission geglückt.
Schon das Cover von „First Band On The Moon“ ist ein Schlag in den Graphik-Computer. Präsentierte sich Nina Persson auf der Frontseite vom Vorgänger-Album „Life“ noch als Eisprinzessin in Babyblau und mit Audrey-Hepburn-Lächeln, ist jetzt nur noch ein verwackeltes Konzertfoto von Drummer Bengt Lagerberg zu sehen. Die Cardigans, in Japan als Super-Stars gefeiert und in Deutschland mit „Life“ weit in die Charts vorgedrungen, spielen mit dem Status der harmlosen Pop-Band. Und daß sie bocken, wenn auch nur ein bißchen, das macht sie sympathisch.
Daß sie jetzt aber nach „Carnival“ und „Rise And Shine“, den erfolgreichen Singles des letzten Albums, ausgerechnet, „Lovefool“ auskoppeln, ist mehr als schade. Das Orange Juice-Imitat ist der langweiligste Song, den die Cardigans überhaupt je geschrieben haben. „Der Vorschlag kam von der Plattenfirma“, meint Bassist Magnus Sveningsson trocken.
Bevor ich’s aber vergesse: Wie auf „Time“ gibt es auch auf „First Band On The Moon“ die Interpretation eines Black Sabbath-Klassikers. Diesmal ist „Iron Man“ dran. Beinahe der Höhepunkt des Albums, weil Nina hier lautmalt – jazzig, aber nicht gefällig. „Ich hatte Schnupfen und konnte nicht mehr richtig singen“, sagt sie. Dann doch: Wolken über Malmö.