Auf seinem neuen Album befaßt sich der Song-Poet Joe Henry mit der Levitation

Joe Henry hat in seiner Frau Melanie eine glühende Verehrerin. Als Melanie sich vor Jahren eigentlich um die PR-Belange von R.E.M. kümmern sollte, drückte sie permanent jedem eine Henry-CD in die Hand. „Er ist eine ganz große Hoffnung“, sagte sie dabei jedes Mal strahlend. Das war vor sechs Jahren in New York-Heute haben Joe und Melanie einen vierjährigen Sohn, Levon, und leben in L.A. Melanie ist inzwischen Künstlermanagerin, u. a. von Daniel Lanois, und eigentlich fragt nun auch niemand mehr im Hause Henry nach Madonna. Madonna ist Melanies ältere Schwester.

Der Sänger, Poet und Gitarrist Joe Henry hat in den vergangenen zehn Jahren sechs Alben herausgebracht, die er meist mit Hilfe der Jayhawks einspielte. Victoria Williams war oft Gastsängerin. Joes traditionelle Arbeitsweise erinnerte oft an Momente von Dylan plus Band: Die Songs waren vorbereitet, alle legten los, zwei Wochen, dann war ein Album fettig. Neuerdings fand Henry Mut zu allerlei technischen Spielereien. „Bei der Arbeit zum neuen Album , Trampoline‘ konnte ich erfahren, wie befreiend es ist, mit Klängen zu manipulieren. Früher mußte ich mich nach den Liveaufnahmen zwangsläufig mit dem Resultat zufrieden geben. Wir waren schließlich Puristen. Klänge beeinflussen galt als Betrug am Höret Heute vergleiche ich meine Arbeit eher mit dem Herstellen von Collagen. Es kommt halt nur aufs Resultat an, egal wie es entsteht Früher arbeitete ich im Dienste der Songs. Heute schaffe ich zuerst die Klangräume, in die meine Songs später passen sollen.“ Songschreiben war für Joe Henry schon als Teenager in North Carolina das absolut Schönste. „Meine Songgeschichten sind alle erlebt, von mir oder anderen, bewußt oder unbewußt. Jeder kann sich seinen Reim darauf machen. Als Songschreiber darf man nicht belehrend sein. Das wirkt nämlich so, als sei der Hörer zu dämlich, den Text zu kapieren.“ Obendrein entdeckt Joe neuerdings Instrumente, die er früher nie zu benutzen gewagt hätte. Eine österreichische Zither z. B. und ein 110 Jahre altes Harmonium. Und das Melotron, „der Dinosaurier aller Synthesizer. Es schafft längst vergessene Klänge, brüchig und geisterhaft.“ Schöpfer wundersamer Klangwelten Fasziniert von seinen Klangversuchen entlieh Joe sich sogar das winzige Kinderakkordeon von Sohn Levon, um später das Aufgenommene per Varyspeed verlangsamt wie eine mächtige Orgel dröhnen zu lassen.

Joe Henry scheint mit seinen wundersamen Klangwelten endlich auf den angemessenen Erfolg hinzuschweben. „Schließlich war’s furchtbar, wenn man sich nach sechs Alben eingestehen müßte, daß das zweite eigendich das beste war.“ Und so wagte er es auch, seine berühmte Schwägerin um ein Duett für das Multiple-Sklerose-Hilfsprojekt „Sweet Relief tu bitten. Für die nächste „Relief-CD) sind Songs von Vic Chesnutt vorgesehn, und Joe trägt mit Madonna „Guilty By Association“ vor. „Sie singt hier jenseits von all dem, was man mit ihrem Namen musikalisch verbindet.“ Früher ein besessener Musikant, gibt Joe heute gern den Hausmann, denn „das ist weder spießig noch peinlich, sondern bekommt mir als Musiker sehr gut. Anerkennung verwechselt man oft mit Geldverdienen. Erwachsenwerden heißt aber auch, nicht unbedingt von jedem geliebt werden zu müssen.“

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