Die beiden besten Stücke von Lindenbergs neuer Platte hat nicht er geschrieben, sondern Funny Van Dannen
„Gibeszu,gibeszu,gineszuuu…“ -Konzerte mit Funny van Dannen haben etwas von Verhören. Oder auch von Nötigung. Ein Mann, eine Gitarre, ein kleines Singalong, eine Kurve in den Refrain, und schon hat er dich. Hier lache ich und kann nicht anders. Hier weine ich und find es gut. Hier weiß ich gar nicht mehr, wie mir geschieht Mich wundert, daß ich fröhlich bin.
Von eigensinnigen Wohnmobilen handeln die Stücke, von Kaugummies, die Angst vor Zähnen haben, Messern, die am ewigen Schneidenmüssen zerbrechen; von aus der Art geschlagenen Butterkeksen, kommunikationsverachtenden Telephonen, Regen, Wettern, Winden, Pferden, roten Schuhen und anderen Lebewesen: „Sie heißen Milbe und sie heißen Mensch, sie leben auf derselben Ranch.“ Durchaus die leichtere Muse also, doch wie gesagt: Scheue Gedankenrudel werden von diesem Gesang aufgestöbert und in Geiselhaft genommen. Licht aus, Spot an der Rest ist Kitzeln: Gib es zu, du bist ein Mitglied im Fanclub der Sehnsucht Gib es zu, du bist eine Welle im Swimmingpool der Zeit. Gib es zu, du warst beim Funny-van-Dannen-Konzert.
Seit einiger Zeit geben sich die Interviewer bei Funny, der mit Frau, drei Kindern, zwei Rennmäusen und diversen Wellensittichen eine Berliner Altbauwohnung bevölkert, die Klinke in die Hand. Wer wie van Dannen über Jahrzehnte hinweg mehr oder weniger unentdeckt vor sich hingebosselt hat, bewegt sichTempo hin oder her auf einem eigenen Zeitstrahl. Berlin findet er schon okay, da hat man halt seine Ruhe. Hatte man jedenfalls mal. Andererseits „kannste auch reifen, biste faul bist“. Krisen gab es, so gesehen, natürlich auch. Mit dem Leben, der „Mussig“ (O-Ton van Dannen), dem Singen. Ausgebildeter Grafiker, aber schon immer freischaffend. Malt auch „richtige“ Bilder. Seit vier Jahren Hausmann. Von den Kindern will van Dannen trotzdem keinerlei Inspiration für seine Lieder geborgt haben, wie es ihm oft unterstellt wird. Höchstens mal die eine oder andere treffende Beobachtung. Zum Beispiel, daß Tärzan und Jesus die gleichen Unterhosen tragen.
Etwas Kindliches haben sie schon, diese Songstücke, in denen die Dinge polymorph im Viereck springen, Fairneß fordern und Rache üben. Animismus ä gogo. Ybr dem Tresen, hinterm Tresen – überall sind Lebewesen. Mai verwandeln sie sich in Engel auf der Bettkante, mal machen sie in Naturfilmen mit Endreime klammern das Ganze mit knapper Not zusammen. Wie kommt sowas ins Gehirn reingeschneit? Ist Alkohol da mit im Spiel? „Och, zuviel sollte man da nicht draufpacken. Ich meine: En Lied is en Lied.“ Gegen Interpretationen hat Funny van Dannen sich imprägniert, aber der stille Naive, den er mimt ist er dann doch nicht. Auch nicht der singende Spaßvogel. Schon gar nicht der Apologet der 70er Jahre, den manche aufgrund seines populärsten Songs aus ihm machen wollten: „Als Willy Brandt Bundeskanzler war“ hatte F.v.D. zwar noch kein schütteres Haar, aber einen Nostalgiker macht das kaum. Das Werk (ja: das Werk?) will wieder mal mehr als sein Autor. Die Siebziger, als Ute Lemper noch kein Star war, Video noch Latein. CD ein Kürzel für Seife und Squash noch kein Sport, sind bloß der letzte Fixpunkt, bevor alles ex oder -je nach Geschmack – auch implodiert ist.
In dem zweiten Song, über den Lindenberg sich her machte, heißt es „Gutes tun ist gar nicht schwer, man kann soviel Gutes tun, zu Hause und im Kreisverkehr…“. Van-Dannen-Songs sind stille Blätter gewissenhaft moralfreier, anschaulicher, süßsaurer Sinnvergiftung. Zwar lassen sie die äußere Form – die eingängige Melodie, das „pfiffige“ Akkordschema, das melancholische Finish – intakt, sie malen Idyllen an Höhlenwände, lassen den zwielichtigen Kumpanen Fortschritt und Zukunft aber zugleich keinerlei Ausweg. Da erstickt vieles, da fallt manches zusammen: Crashtest-Dummies krümmen sich schwer in der Straßenverkehrsordnung des Lebens. Plötzlich stehen alle Ampeln auf Blau, eine Frau fahrt durch die Hauptstadt der Gefühle, und depressive Hypochonder tragen Hüte mit Herzen aus dem Winterschlußverkauf. Ist das nicht lustig? Ist das nicht die reine Katastrophe? Die Welt ist, was der Fun ist, und das kann man drehen und wenden, zuckern und zimten, pfeffern und salzen, nie im Leben aber mehr abschaffen. Höchstens bedichten. Bei Funny van Dannen wird das Weltdieater im Drei-Minuten-Format genießbar. Das ist wenig. Das ist viel. Und muß in diesem Fall genügen. Und Klappe.