Als politischer Kommentator beinahe verstummt: Jackson Brownes widmet sich wieder beschaulichen Innenansichten
Wie macht der Mann das bloß? Im 48. Lebensjahr – eine einzige graue Strähne hat sich in die wallende Mittelscheitel-Pracht geschlichen – sieht Jackson Browne immer noch aus wie der attraktive End-30er-Mathelehrer. Dumm nur, daß pubertierende Mädchen sich heute kaum noch für ihn interessieren. Jedenfalls nicht als Musiker. Die alten Fans sind mit ihm älter geworden, jüngere aber kaum nachgewachsen.
„Ich brauche nicht mehr mit Verkaufezahlen aus meiner Jugend- und Blütezeit konkurrieren“, sagt der Wahlkalifornier aus Heidelberg, der seinen Frieden damit gemacht hat, daß der seine nicht mehr zu den ganz großen Namen gehört, dem in den Baseball-Arenen gehuldigt wird, „l’m Alive“, sein letztes Album aus 1993, wurde in den USA immerhin noch vergoldet. Das dürfte reichen, um sich weiterhin die Gunst der langjährigen Plattenfirma zu sichern. Und wenn nicht? Browne tröstet sich damit, daß selbst Van Morrison und Bonnie Raitt schon mal ohne Deal dastanden. Und danach ihre erfolgreichste Musik überhaupt machten. „Ich bin so etwas wie der Stern auf der Kühlerhaube von Elektra. Nee, nicht mal das…“
Weitgehend verstummt – auf Platte wie anderweitig – ist Browne als öffentlicher Kommentator (außen-) politischer Belange. Was manche ja durchaus aufatmen ließ. „Einige meiner Ideen waren einfach falsch“, sagt er heute – weniger resigniert denn immer noch erstaunt ob seiner Naivität. „Ich dachte immer, wenn man den Leuten nur zeigen würde, wie die Regierung sie belogen hat im Hinblick auf El Salvador oder Nicaragua, dann würden die Menschen diese Regierung schon zwingen, eine andere Politik zu machen.“ Doch die Leute seien „nun mal in erster Linie an sich selbst“ interessiert und hätten ein „überwältigendes Bedürfnis, sich die Dinge so zurechtzulegen, wie es ihnen am besten“ passe. Browne: „Was zählte es schon, daß Reagan die Verfassung verletzt hatte? Sie haben ihn sogar wiedergewählt. Und Bush, der mit drinsteckte, als nächsten. Solange sie unmittelbar von etwas profitieren, werden sie immer einen Weg finden, um einen Mantel aus Idealismus darum zu schlagen und sich gut dabei zu fühlen.“
„Looking East“, das neue Album von Jackson Browne, beobachtet denn auch nicht den sprungbereiten Asien-Tiger, der in seiner Gier die alten Fehler des Westens einfach wiederholt, sondern läßt den Blick übers eigene Land schweifen – aus dezidiert kalifornischer Perspektive und damit quasi als extrovertiertes Pendant zur idyllischen California-Nostalgie von Brian Wilson und Van Dyke Parks auf „Orange Crate Art“. Viele Jahre, so Browne, sei er es „einfach leid“ gewesen, „der von der Westküste genannt zu werden. Denn die Vorstellungen der Leute sind doch arg begrenzt. Wenn ich die Leute über Westcoast-Musik reden höre, muß ich immer lachen. Little Feat: Bei uns würde sie niemand als Westcoast-Band bezeichnen. Die gehören eher nach Georgia. Was ich nur sagen will: Ich habe mich gut dabei gefühlt, ein Album zu machen, das sehr L.A.-zentrisch ist.“ Und was er von dort sehe, sei „vor allem der Mangel an Kontakten mit Spiritualität. Gerade bei den Leuten, die sich besonders religiös dünken. Denen geht es nur um Besitz, um Ausbeutung.“
Zwischen politisch korrekten Selbstverständlichkeiten („Information Wars“) und seligen Beschwörungen des alten Seventies-Sounds („Some Bridges“) erstrahlt dann doch noch ein Song, der es – gleich neben „Late For The Sky“ und „Before The Deluge“ – in Brownes AU-Time-Classics-Katalog schaffen könnte: „The Barricades Of Heaven“ verknüpft Reminiszenzen an erste Kalifornien-Erfahrungen und Coming-of-age-Kümmernisse mit der ewigen Seelensuche nach Erlösung. Der Song bleibe sehr allgemein und unvollständig und sei „eine gute Übung in Zurückhaltung“ für ihn gewesen. Wo er doch sonst immer dazu neige, zuviel zu schreiben. Hier flogen die Strophen reihenweise in den Papierkorb, darunter eine über einen alten Freund, der starb, als er einen Schnapsladen ausrauben wollte. „Er dachte, er würde damit durchkommen. Und wurde erschossen.“
„The Barricades Of Heaven“ bringe ihn immer wieder „auf eine andere Bewußtseinsebene“. Es sei „wie in diesem Beatles-Song, wo es heißt: ,Was siehst du, wenn du das Licht ausmachst?´ Es geht nicht darum, was die Erlösung sein könnte. Sondern eher um die Hindernisse auf dem Weg dorthin. Ich liebe diese Metapher. Vor allem, weil sie mir das Versprechen gibt, daß ich noch lange darüber nachdenken werde, um herauszufinden, was dieser Song genau für mich bedeutet.“ Da wird er bestimmt nicht der einzige sein.