Sozialkritikerin und Feministin: Natalie Merchant, ehemals Sängerin der 1O.OOO Maniacs, echauffiert sich
Als Natalie Merchant Mitte der 80er Jahre mit den 10.000 Maniacs erstmals in Deutschland auftrat, gewann man den Eindruck, einen hinreißend exzentrischen Teenager im Blumchenkleid beim fast religiösen Zelebrieren von durchaus tanzbaren Pop-Songs beobachten zu dürfen.
Daß mit den intelligenten bis schwärmerischen Texten ein ernsthaftes sozialpolitisches Engagement unterstrichen werden sollte, wurde allerdings erst beim genaueren Hinhören klar. Und natürlich durch Aktionen wie ihr Verbot, ihren ’89er-Platin-Hit „Peace Train“ weiterhin zu vertreiben. Stammte der Song doch aus der Feder eines gewissen Cat Stevens, der, zum Islam konvertiert, als radikaler Fundamentalist zur Ermordung amerikanischer Regierungsbeamter aufgerufen hatte.
Bis heute kann Natalie jede Art von Extremismus und Vorurteilsdenken nicht begreifen: „Selbst als Ronald Reagan – bei all seinen eminenten Schwächen bekanntgab, an der Alzheimer Krankheit zu leiden, machten die Medien tagtäglich immer gröbere Witze über ihn. Dabei war der Mann doch krank! Wie kann man so etwas bloß komisch finden?“
Wenn sich die winzige Umweltschützerin echauffiert, dann blitzen ihre schwarzen Augen gefahrlich, und der oberflächliche erste Eindruck der Musikerin Natalie Merchant als brave Ex-Klosterschülerin wird im Nu hinweggefegt. Und natürlich verwirrt auch der Titel ihres Solo-Debüts „Tigerlily“, wenn sie zum Interview im „gewagten“ Graublauen erscheint und so gar nichts von einer wilden Hummel an sich hat. Mimikry? „Damit bin ich erst in Deutschland konfrontiert worden, denn ich dachte bei dem Album-Titel an eine orangenfarbige Lilie mit schwarzen Punkten. Offenkundig muß ich beweisen, daß ich nicht nur Sozialkritikerin und ernsthafte Feministin bin.“
Ihr letztes Engagement galt der Kampagne „Born To Choose“. Heute geht es Merchant eher um Wunder, Flüsse, Liebe und Eifersucht. „Über irgendetwas einen guten Song zu schreiben, das wird die Welt nicht verändern. Mir genügt es, daß man nach einem gräßlichen Tag ein Album hören und relaxen kann.“