Mary Chapin Carpenter – London, Her Majesty’s Theatre
In Amerika sammelt sie seit acht Jahren und fünf Alben Fans wie andere Leute Muscheln. Sie gilt als neuer Country-Superstar, doch diese Schublade ist für die Sängerin, Songschreiberin und Gitarristin entschieden zu schmal gezimmert. Und der schlichte Aufbau sowie das sparsame Licht auf der Bühne des Majesty’s Theatre stellen bereits vor Show-Beginn klar: Hier gibt’s weder Glamour noch Glitzer, hier gibt’s nur Handwerk.
John Jennings stimmt mit seinem Kollegen John Carroll auf einen kammermusikalisch anmutenden Abend ein. Dann erscheint im schwarzen Anzug, eine rote AIDS-Schleife am Revers, rote Seidenschleife am dicken blonden Zopf, hängt sich eine ihrer zahlreichen schönen Gitarren um und stimmt „I Take My Chances“ an. Die diplomierte Bürgerrechtlerin aus New Jersey trägt ihre Geschichten von kleinen Leuten und großen Gefühlen überzeugend und ergreifend vor – was bei weniger souveränen Künstlern nur allzu leicht ins Larmoyante abgleiten könnte. Ihre „Passionate Kisses“ sind ebenso glaubhaft wie ihre ironische Randbemerkung „Ich kann umwerfend flirten“.
Die Geschichten von Namenlosen und Verliebten singt Carpenter so, als säße sie in trauter Runde vor dem heimischen Kamin. Selbst wenn sie sich eines Tages entschließen sollte, keine Konzerte mehr zu geben ihre Songs werden überleben. Mehr „Girls With Guitars“ von ihrem Schlag, und die Welt sähe rosiger aus.