Die Söhne des Priesterpaares
Collective Soul: Wie vier Southern Boys einen Plattenvertrag bekamen und nach Woodstock reisten
Dieses Erfolgsmärchen kommt einem ja nun doch langsam bekannt vor. Da spielen ein paar Radiostationen im Süden wg. hartnäckiger Hörernachfrage den Song (hier: „Shine“) einer unbekannten Lokalband rauf und runter – und schwups: Schon bequemt sich der New Yorker Major-Company-Talentscout aus seinem Sessel und hievt die hoffnungsvollen Talente mit entsprechender Marketing-Power in die US-Top-Ten, ins Vorprogramm von Aerosmith und auf die Woodstock 94-Bühne.
Ein weiteres Indiz dafür, daß die Bosse an Ost- und Westküste die lange belächelten Southern Boys endlich für voll nehmen? „Könnte sein“, nickt Dean Roland, Gitarrist von Collective Soul. „Die Stereotypen sind einfach nicht mehr so dominant. Früher wurden Bands aus dem Süden gleich in die Southern Rock-Schublade gesteckt. Doch seit R.E.M. oder den B-52’s ist vielen Leuten bewußter, daß bei uns auch Musiker zu Hause sind, die ganz andere Einflüsse verarbeiten.“ Im Falle von Collective Soul sind es die Beatles genauso wie Led Zeppelin und AC/DC.
Deans Bruder Ed, songschreibender Kopf des Quintetts aus der Kleinstadt Stockbridge vor den Toren Atlantas, hatte eine Band-Karriere nach Jahren des Tingeins und Bangens eigentlich schon abgehakt. „Hints, Allegations And Things Left Unsaid“, das Debüt von Collective Soul, ist deshalb nicht mehr als ein geringfügig überarbeitetes Demo, mit dem Roland der Altere einen Publishing Deal ergattern wollte. Bis „Shine“ abhob. Derzeit arbeiten Collective Soul in Memphis bereits am zweiten Album, das im Februar 1995 ansteht und „nicht mehr ganz so laidback“ ausfallen soll.
Als Sprößlinge eines Southern Baptist-Priester-Paares, das lange bestenfalls Elvis an die Ohren der Nachkommen lassen wollte, sind die Rolands mit einem „religiösen Jargon“ großgeworden, der in Songs wie „Reach“ und „Goodnight Good Guy“ (eine Hommage an den dahingeschiedenen Opa) auch auf „Hints, Allegations And Things Left Unsaid“ seine Spuren hinterläßt. „Das sind eher Alltagsfloskeln für uns“, erklärt Dean Roland, der in den Fußstapfen des Vorkämpfers Ed eine relativ ruhige Jugend genoß.
„Für uns ist das wie für einen Rapper, der sich eben dieses typischen Street-Idioms bedient.“
Das ist begreiflich: „Losing My Religion“ hat aus R.E.M. ja auch keine Fundamentalisten-Truppe gemacht.