Frank Turner: Interview und Live-Session
Ab Mitte November ist der britische Songwriter Frank Turner erneut auf Deutschlandtour. Wir verlosen 2x2 Tickets und sprachen mit Turner über Rock'n'Roll und Tradition.
Tourtickets für die Konzerte von Frank Turner laufen wie geschnitten Brot. Und das obwohl der Brite nach dem Release seines Albums „England Keep My Bones“ gleich mehrfach bei uns live zu sehen war – zunächst solo, dann im Vorprogramm von Social Distortion. Aber seine Live-Qualitäten scheinen sich herumgesprochen zu haben – die Tickets werden nämlich erneut knapp. Wer hin möchte, kann allerdings bei uns 2×2 Tickets gewinnen. Einfach eine Mail an verlosung@www.rollingstone und die Antwort auf folgende Frage: Wie hieß die ehemalige Hardcore-Band von Frank Turner?
16.11.2011:Hannover – Faust
17.11.2011:Münster – Sputnikhalle
29.11.2011:Köln – Live Music Hall
30.11.2011:Stuttgart – Wagenhallen
01.12.2011:München – Backstage Halle
02.12.2011:Berlin – Postbahnhof
04.12.2011:Hamburg – Fabrik
05.12.2011:Rostock – Mau Club
17.12.2011:Zürich – Abart
18.12.2011:Wien – Wuk
19.12.2011:Graz – PPC
20.12.2011:Heidelberg – Karlstorbahnho
Hier nun noch einmal unser Interview, das wir kurz vor dem Release des Albums mit Frank Turner führten. Am Ende des Artikels finden Sie eine exklusive Live-Session aus der Reihe „The Song, The Story“ – gefilmt und geschnitten von Martin Bruch.
Auf deinem neuem Album singst du, dass du in den Ärmelkanal geschmissen werden und dann ertrinken möchtest. An anderer Stelle malst du dir aus, was passiert, wenn du verwest. Das wirft die Frage auf: Wie geht’s dir im Moment so?
Frank Turner (lacht): Gute Frage! Eigentlich geht’s mir sehr gut. Ich plane das Konzept des Albums nicht im Voraus. Ichschreibe die Songs einfach runter. So finde ich dann später heraus, wenn ich mir die Liedtexte noch einmal durchlese, über was ich gerade viel nachdenke. Als ich mit dieser Platte fertig war, dachte ich: „Fuck! Du denkst in letzter Zeit wohl ziemlich oft über den Tod nach!“ Ich weiß auch nicht warum, ich fühle mich ziemlich gut, bin gesund.
Frank Turner – Peggy Sang The Blues by Epitaph Records
Auf dem neuen Album gibt es einige sehr gitarrenlastige Songs, die weniger an Folk als an deine frühe Karriere in der Hardcore-Band Million Dead erinnern. Wie kam es dazu, dass du diesen Sound wieder für dich entdeckt hast?
Turner: Ich wollte dieses Album eben dynamischer machen. Meine letzte Platte war eigentlich ziemlich konstant und beständig. Ich wollte, dass die lauten Parts der Songs noch lauter und härter klingen, damit die ruhigen noch ruhiger und friedlicher wirken. Ich wollte einfach eine größere Brandbreite an Gefühl haben. Außerdem hängt das mit der Produktion zusammen. Ich wollte, dass die Gitarren wieder wie Hardcore-Gitarren klingen – und die sind eben härter und dreckiger. Ziemlich witzig war es bei den Aufnahmen für „If Ever I Stray“. Wir haben den Song immer wieder abgespielt und ich habe jedes mal gesagt „Mehr Gitarre!“, bis wir noch eine extra Spur aufgenommen haben. Ich wollte einfach, dass es klingt als ob dir jemand mit einem Stuhl ins Gesicht schlägt. Ich mag laute Gitarren an den richtigen Stellen.
Hast du jetzt wieder Lust, Hardcore-Platten zu machen, oder ist das zu weit hergeholt?
Turner: Nein, ich habe definitiv Lust dazu. Der eine Song auf der Platte „One Foot Before The Other“ ist auch fast Hardcore. Es hat Spaß gemacht, so ein Lied zu schreiben. Verglichen mit Hardcore ist er zwar nicht besonders hart, aber wenn man bedenkt, wie ich normalerweise klinge, wirkt es dafür umso härter. Ich habe allerdings Lust wieder eine Hardcoreband zu gründen. Das Problem ist da nur die Zeit, die ich nicht habe. Ich weiß schon genau, mit wem ich das aufziehen will und wie es klingen soll. Wir werden uns „Hammerzeit“ nennen. Es wird der Wahnsinn.
Du hast ja schon oft Songs von deinen Vorbildern gecovert. Jetzt hast du dich von ihnen beeinflussen lassen und hast diesen Einfluss in den Songs auch erwähnt. Springsteen wird besungen, Dylan, Billy Bragg – ist das nur Zufall oder hast du dich bewusst deinen „alten Helden“ zugewandt?
Turner: Wieder war es nicht so, dass ich mich hingesetzt und mir gedacht habe: „Mein Masterplan für das nächste Album ist ein Blick auf meine musikalischen Helden.“ Was mich aber wirklich fasziniert, ist die Idee einer Rock-Mythologie. Ich finde, Craig Finn von The Hold Steady singt auf auf „Stay Positive“ sehr schön darüber. „The singalong-songs will be our scriptures“, die Ohrwürmer werden unsere Bibel sein. Und ich mag diesen Gedanken, denn im Moment sind wir an diesem Punkt angelangt, wo die Geschichte des Rock’n’Roll fast schon länger als ein Menschenleben ist. Das interessante daran ist, dass man es mittlerweile als Tradition sehen kann. Rock’n’Roll ist nun soweit, dass man es als eine authentische, echte Tradition bezeichnen kann, nicht mehr nur als aktuelles kulturelles Phänomen. Mich überrascht es immer wieder, dass Bob Dylan noch am Leben ist. Nicht, dass ich möchte, dass er stirbt, um Gottes Willen! Aber es fühlt sich einfach so an, als sei er eher eine mythologische Figur aus der Vergangenheit.
Du scheinst dich bei der neuen Platte ziemlich viel mit England zu beschäftigen, du hast England sogar im Titel. Warum ist das ein so großes Thema des Albums?
Turner: Wenn man viel unterwegs ist oder lange Zeit in einem anderen Land lebt, dann besinnt man sich einfach viel stärker auf seine Heimat zurück. Ich habe einige englische Freunde, die in Amerika leben, und sie fühlen sich einfach „englischer“, weil sie von dieser komplett anderen Kultur umgeben sind. Es lässt dich drüber nachdenken, was deine eigene Kultur eigentlich ausmacht, was es bedeutet, Engländer zu sein. Weil ich viel Zeit im Ausland verbringe, habe ich so die Gelegenheit viel über England und das Dasein als Engländer nachzudenken und zwar über die philosophischen Aspekte. Dazu kommt, dass ich schon lange keinen Wohnsitz mehr habe. Wenn ich über mein Zuhause nachdenke, habe ich keinen festen Raum oder ein Haus im Sinn. Und je mehr Zeit vergeht, desto mehr denke ich an England, wenn ich an mein Zuhause denke. Meistens ist es dann nur irgendein Ort, wo man einen Kaffee mit einem fettigen Löffel bekommt, aber ein englisches Frühstück essen und eine englische Tageszeitung lesen kann. Und wo man im Fernsehen Cricket sehen kann! Das ist irgendwie das, was ich mit einem Zuhause verbinde. Darum hat Folkmusik auch solch eine Anziehungskraft auf mich, wegen dieser Gebundenheit an einen Ort. Das ist sehr typisch, vor allem in den amerikanischen Folksongs. Sie singen eben über das Land, aus dem sie stammen.