Anti-Comedian Kurt Krömer wird 50: Die Flitzpiepe
Mit absurder Verweigerungskomik und Berliner Schnauze bringt Kurt Krömer ein Publikum zum Lachen, das von Anarcho-Comedy nicht genug kriegen kann.
Können Klamauk und Tiefgang gemeinsam existieren, sich gar gegenseitig bereichern? Helge Schneider, Gerhard Polt und nicht zuletzt Loriot zeigten, dass dies durchaus eine deutsche Spezialität sein kann. Kurt Krömer treibt dieses Prinzip aber seit Jahrzehnten auf die Spitze, mal in die eine Richtung, mal in die andere.
Seine Zoten haben manchmal keine Pointen, bei seinen (gut besuchten) Bühnenauftritten beginnt er das Publikum zu beleidigen, bevor die erste Anekdote erzählt wird. Später zeigt er auch gerne seine Plauze oder ruft bei wildfremden Menschen an. Wie ein Kind, das Klingelstreiche macht. Krömer, der eigentlich Alexander Bojcan heißt, ist ein Anti-Komiker. Er erzeugt Lacher, indem er auf Erwartungen pfeift und banale Alltagsmomente mit völlig unerwarteten Wendungen ins Absurde treibt. Krömer ist hinterfotzig, ohne dass es wirklich weh tut. Fremdscham ist sein bevorzugtes Arbeitswerkzeug. Einer, der sich furchtlos selbst entblößt, darf das auch bei anderen.
Kurt Krömer und seine Nonsense-Talks
Es gibt deshalb nicht nur den Krömer auf den Kabarett- und Freiluft-Bühnen. Es gibt auch den verpeilten Talkmaster, der seine Zuschauer mit Nonsense-Unterhaltungen in den Wahnsinn treibt. Erst noch im Verbund mit Otto Kuhnle, später alleine unter dem für die Produktionsverhältnisse fast lächerlichen Namen „Kurt Krömer Show“ macht der Moderator Späße, die stets ins Bodenlose tendieren, und hält Besucher zum Narren. Die kommen gerne, um sich durch den Kakao ziehen zu lassen.
Denn auch wenn Krömer bevorzugt unter die Gürtellinie geht, er bleibt dabei stets nah dran an seinen Gästen. Das klappt, weil er mit seinem schnoddrigen Hauptstadt-Humor ohne ersichtlichen Bezug auf Kabarett-Größen West- oder Ost-Berlins unbeholfen wirkt. Wie ein Clown, der zufällig vor die Kamera geraten ist. Ganz anders also als der Brachialkomiker in Martin Scorseses „King Of Comedy“, der sich dieses Recht ergaunert. Aber doch mit einer Hinterlistigkeit, die den Zuschauern signalisiert: Hier hat ein Freigeist den Programmveranstaltern und Fernsehproduzenten wieder einmal die lange Nase gedreht.
Kurt Krömer berichtet gerne davon, dass er ein lupenreiner Berufskomiker ist. Eine Ausbildung zum Herrenausstatter brach er ab. Aushilfsarbeiten bei einer Reinigungsfirma und auf dem Bau blieben fruchtlos. Dann eben Louis de Funès und Klaus Kinski beerben. Seit 1992 tritt Bojcan, als Sohn eines Tischlers und einer Schneiderin in den Berliner Bezirken Neukölln und Wedding aufgewachsen, als Kurt Krömer auf. Sein Improvisationstalent spricht sich herum.
Anfang der Jahrtausenwende geht es steil bergauf. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg – nicht gerade dafür bekannt, mit Eigenproduktionen landesweit für Aufsehen zu sorgen – setzt bedingungslos auf ihn. Krömers atemloser Auftritt bei Harald Schmidt begeistert. Die aufwandlos produzierte RBB-Sause gelangt sogar ins Hauptprogramm des Ersten, verkauft als „Die internationale Show“ mit kurios großer Bühne und lächerlichem Pomp.
Die Grenzen des Lachens
Immer spielt Krömer auch mit den Bedingungen, die ihn vor die Kamera führen. Er imitiert den Showmaster, er gibt den Andy Kaufman – und wirkt dabei auch manchmal wie ein trauriger Unterhaltungsritter. Später macht der alleinerziehende Vater das Leiden an schweren Depressionen öffentlich. Die Offenbarung mit Comedy-Kollege Torsten Sträter wird zu einem Höhepunkt seiner Sendung „Chez Krömer“. Das Konzept, Prominente aus Politik und Unterhaltung mit abstrusen Fragen zu löchern, ja manchmal gar zu grillen, geht auf. Kritiker feiern die Gesprächsrunde, die ohne Publikum auskommt und einem Polizeiverhör gleicht.
Die Gespräche werden von Staffel zu Staffel immer ernster, immer persönlicher. Man erlebt eine aufgelöste, dem Alltagsleben entrückte Jasmin Tawil, ein Streitgespräch mit Maxim Biller, eine verblüffende Fragerunde mit dem immerzu schussbereiten Ex-BILD-Chef Julian Reichelt. Und schließlich die Auseinandersetzung mit Faisal Kawusi, den Krömer als Arschloch zurechtweist. Danach verkündet Krömer, keine Lust mehr darauf zu haben, sich in die oft verworrenen Gehirnwindungen seiner Gäste einschleichen zu wollen.
Noch einmal, aber diesmal mit „Feelings“
Der Erfolg wird dennoch größer: Krömer nimmt bei „LOL – Laughing Out Loud“ teil – und gewinnt auch einmal. Sein Podcast „Feelings“, wie das Impro-Format mit Michael „Bully“ Herbig assoziiert mit Amazon, wird zum Streaming-Hit. Die Gästeliste hier übertrifft jene aus seinen TV-Shows um Längen, was den Grad der Prominenz betrifft. Man kennt Krömer nun in Neukölln genauso wie in Ehrenfeld. Er wird von Barbara Schöneberger geherzt.
Auch in „Feelings“ ist das Sendekonzept perfekt auf den Berliner zugeschnitten. Keiner sagt ihm, wer kommt, er stellt einfach Fragen, die ihm so einfallen. Die mögen auch einmal frech sein, aber Krömer ist zweifellos sanfter geworden. Seinen Kampf mit Depressionen macht er auch zu einem Buch, das ein Bestseller wird. Krömer ist nun Botschafter einer neuen Achtsamkeit (früher besuchte er auch schon deutsche Soldaten in Afghanistan) und garniert seinen Humor, ähnlich wie andere Kollegen, nun mit mehr Haltung. Das kommt an.
Die Erinnerung an den Straßenkomiker, der dreist zu provozieren weiß, aber tatsächlich genau die Grenzen seiner Albernheiten einschätzen kann, bleibt. Eine Begegnung mit Krömer ist fürs selten geschonte Publikum und natürlich auch für seine zahlreichen Gäste manchmal so wie ein hitziges verbales Wutduell zwischen Fahrradfahrer und Raser an einer Kreuzung in Berlin. Es werden ein paar Beleidigungen ausgetauscht, es wird gehupt und dann brausen beide unfallfrei weiter.