Vergessene Perlen: The Murlocs – „Young Blindness“ (2016)
Mit ihrem zweiten Studioalbum erschufen die Australier eine Kombination aus heiterem Blues-Rock und wehmütigen Texten.
Australischer Psy-Rock brachte in den 2010er-Jahren einige große Acts heraus, die noch heute unverbraucht klingen. Zwischen ihnen ragen Tame Impala natürlich heraus. Aber auch die aus Melbourne stammenden King Gizzard & the Lizard Wizard trugen mit ihrem überbordenden Output von 26 Studioalben seit 2010 zur Beliebtheit der Szene bei.
Es war eines ihrer Mitglieder, Ambrose Kenny-Smith, das parallel ein weiteres Bandprojekt ins Leben rief: The Murlocs. Trotz der darin vorkommenden Amphibien-Wesen soll der Name unabhängig vom Computer-Rollenspiel „World of Warcraft“ entstanden sein und verspricht ein ähnlich exzentrisches Image wie das von KG&tLW.
„Young Blindness“ überzeugt mit gemischtem Sound
Beim ersten Hören wirkt das zweite Studioalbum „Young Blindness“ aus dem Jahr 2016 wie ein herkömmlicher Mix aus Garage-, Blues- und Psychedelic-Rock. Doch ist es ein großartiges Beispiel dafür, wie fröhliche Klänge und gleichzeitig schwere Inhalte eine angenehme Melancholie hervorrufen können. Manchmal ist es eine muntere, manchmal eine traurige und häufig einfach nur eine gedankenverlorene Gesamtkomposition, die zum Versinken einlädt.
Typisch für alle elf Songs ist die komprimierte und quäkend-jaulende Stimme von Kenny-Smith, die durch Halleffekte aus der Ferne in das Ohr des Hörers gleitet. Dessen Mundharmonika-Einlagen verschwimmen mit den ebenfalls mit Reverb versehenen E-Gitarren-Riffs. Tatsächliche Gitarren-Soli sind wie in „Adolescence“ oder „Compensation“ meist sparsam gehalten. Matt Blach spielt das Schlagzeug wie in „Unknown Disease“ mal unauffälliger oder wie in „Wolf Creep“ mal variabler. So entsteht in Kombination mit den simplen, aber einprägsamen Basslinien von Cook Craig am ehesten ein Roadtrip-Feeling. Insgesamt ähnelt der gesamte Sound dem Debütalbum der 13th Floor Elevators von 1966, die Kenny-Smith als Inspiration nannte.
Texte über individuelle Isolation
Thematisch findet eine Reflexion über zwischenmenschliche Beziehungen, persönliche Unzulänglichkeiten und den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens statt. Die elliptischen Texte setzen sich wie beim Titellied, das von den Folgen einer rücksichtslosen Jugend handelt, aus Ein-Wort-Zeilen zusammen. „Rolling On“, das Herzstück der Platte, ist ein sanfter Song mit einem ruhelosen lyrischen Ich, das nicht in der Lage ist, nahestehenden Personen seine Zuneigung zu zeigen. Wahrscheinlich blieb Kenny-Smiths Stimme hier deshalb auch (sinnvollerweise) unbearbeitet und klingt vergleichsweise klar.
Was sich durch alle Lieder zieht, ist das Gefühl der Einsamkeit. „Falling behind, trying to keep up the pace / One inside my own phase / Secluded from all the rest / Solitude at its best“, heißt es zum Beispiel in „Let Me Down Lightly“. Dass man diese Isolation und den damit einhergehenden Schmerz auf dem Album ständig spürt und es trotzdem bei einem Spaziergang im gleißenden Sonnenschein hören kann, ist die große Stärke von „Young Blindness“.
The Murlocs bleiben Underground
In den letzten acht Jahren blieben „Uncle Murl“, wie Fans der Band sie nennen, nicht untätig und veröffentlichten fünf weitere Studioalben. Auf ihrer letzten Platte „Calm Ya Farm“ (2023) brachten sie Country- und Soul-Einflüsse mit ein. Kenny-Smith bleibt also auch mit zwei Bands überproduktiv. Selbst, wenn The Murlocs im Vergleich zu King Lizard & the Gizard Wizard international weitgehend unbekannt bleibt. Videoaufnahmen ihres 2022 gegebenen Konzerts im kleinen Teragram Ballroom in Los Angeles (zu dem 2024 ein Live-Album erschien) beweisen das nur zu gut. Den Auftritt beendeten die Australier damals natürlich mit ihrem bis heute größten Hit: „Rolling On“.