Pete Townshend: Rick Rubin verdient gelegentlich eine Ohrfeige
Der Gitarrist von The Who macht das große Fass auf. Die Überfrage „Was ist Kreativität" führt zu Disput mit Superproduzent
Der-ZZ-Top-bärtige US-Produzent Rick Rubin gilt als unantastbarer Midas im Aufnahmestudio. Mit „Rick“ ein Album aufzunehmen, gilt bereits als Ritterschlag. Denn der große Meister kann sich seine erlesene Kundschaft schon lange aussuchen. Seit den frühen Jahren mit Slayer und HipHop beim Label Def Jam (LL Cool J, Beastie Boys, Public Enemy) hat er sein musikalisches Spektrum enorm erweitert. Auch bei Adele, Lana del Ray und Lady Gaga legte Rubin in den 2010er-Jahren Hand an. Zuletzt lag Blues-Mann Marcus King auf seinem Operationstisch.
Somit verwundert es ein wenig, dass Gitarren-Zerstörer Pete Townshend ihm im kürzlich erschienen Podcast von „Rockonteurs“ (mit Gary Kemp von Spandau Ballet) eine „gelegentliche Watschn“ zukommen lassen möchte. In dem fast schon akademisch anmutenden Disput geht es um die große Frage der Kreativität.
Doktrin für den Prozess des Kunstmachens
Der The-Who-Veteran zieht zur Anklage Rubins aktuelles Bestseller-Buch „The Creative Act: A Way Of Being“ heran. Darin vertritt dieser – kurz gesagt – die These, dass Kunst nur dann „rein“ ist, wenn sie für den Künstler selbst – und nicht für ein Publikum gemacht wird.
Townshend stößt sich genau wie UK-Arrangeur Jakob Collier daran, dass Rubin eine Art Doktrin für den Prozess des Kunstmachens aufstelle.
„Ich habe alle Methoden ausprobiert“, so Townshend. „Ich habe komplette Aufnahmestudios mit auf Reisen genommen, und manchmal habe ich kleine Kassettengeräte benutzt. (…) Und wenn ich Lust hatte, in ein Studio mit einem großen Orchester zu gehen, habe ich auch das gemacht. Weit interessanter ist aber die Idee. Auf Papier, als Foto oder Schrift.“ Zudem ginge es bei Kreativität „nicht nur um Rockstars, Popstars, Sänger, Musiker, Künstler oder was auch immer!“ Es ginge, ganz im Sinne von Andy Warhol oder Josef Beuys um Jedermann und Jedefrau.
„heuchlerisch“
Collier hatte Rubin bereits als „heuchlerisch“ bezeichnet, da ein übergroßer Teil seines Katalogwerk in einem absolut kommerziellen Kontext entstanden wäre. Das Buch, in dem er einen Purismus vorgibt, sei zudem an nicht-künstlerische Menschen gerichtet, für die Kreativität etwas Erhabenes sei. Eine Art Mogelpackung also.
In der Frage der Leichtigkeit stimmt Townshend dem US-Kollegen allerdings zu: „Kunst muss Spaß machen und etwas sein, das man gerne macht. Ob man dabei bei anderen ankommt, steht auf einem ganz anderen Blatt.“
Ganz nebenbei bestätigte Townshend auch die vielfach verworfene Rückkehr von The Who fürs Jahr 2025. Der Pro-Brexit-Disput mit Sänger Roger Daltrey, der massiv den freien, internationalen Fluss der Kreativität von jungen Menschen einschränken würde, wäre mittlerweile beigelegt.