„The Tommyknockers“ ist der meistunterschätzte Roman von Stephen King

Stephen Kings Schilderungen der Alien-süchtigen mit der gläsernen Haut sind so hinreißend beschrieben, wie es vielleicht nur Süchtige beschreiben könnten.

Stephen King – Das Ranking

19. The Tommyknockers (1987, deutsch: „Tommyknockers“) ★★★★

Alle hassen dieses Buch. Stephen King am meisten. Er sagt, er sei beim Schreiben so high gewesen, dass er sich kaum an die Arbeit erinnern konnte. Dabei sind seine Schilderungen der Alien-süchtigen mit der gläsernen oder gallertartigen Haut so hinreißend beschrieben, wie es vielleicht nur Süchtige beschreiben könnten. Auf deutsch mehr als 1.000 Seiten! Selbst die Hauptfigur, ein alkoholkranker Dichter, ist eine durch und durch sympathische Person. Retten vor den bösartigen Außerirdischen wird es ihn nicht.

Das gigantische UFO im Wald ausbuddeln

Jim „Gard“ Gardener, der Poet an der Flasche, und Bobbi Anderson, die nach dem Raumschiff lechzende Heimatschriftstellerin, sind Junkies. Eine klassische Zweckgemeinschaft. Sie arbeiten zusammen, und doch nebeneinander her. Haben indifferenten Sex, blicken gemeinsam nach vorn, sich selbst aber nie an, nur ein Ziel vor Augen. Das gigantische UFO im Wald ausbuddeln, über dessen kleinste Spitze Bobbi beim Spazierengehen gestolpert war.

Gardener treiben andere Motive an als die Junkies. Eine Stahlplatte im Kopf macht ihn, ganz im Gegensatz zur übrigen Stadtgemeinschaft, immun gegen die Einflüsterungen im Inneren des Schiffs, die alle zu Außerirdischen machen. Bobbi Anderson bleibt dabei recht blass. Wird mehr und mehr zur Nebenfigur. Womöglich ist auch das nur logische Konsequenz aus einer Erzählung, in der es um Menschen als Werkzeuge geht.

Für King ein Novum, derart linear die Ereignisse auszubreiten

Es ist Kings große Kunst, den Höhepunkt dieser sehr langen Erzählung früh zu offenbaren. Das wird natürlich die Öffnung der UFO-Luke sein, und den Leser gleichzeitig in Erregung zu halten. Für King ein Novum, derart linear die Ereignisse auszubreiten. Aber nun, das Raumschiff ist ja auch riesig, und am Anfang machen auch noch nicht alle Menschen aus Haven bei der Ausgrabung mit.

Der deutsche Buchtitel („Das Monstrum“) ist wieder einmal unsinnig gewählt, geradezu dämlich: Es handelt sich bei den wie Reptilien aussehenden Tommyknockers nicht um klassische „Monstren“, selbst das UFO, das von einem Geist gesteuert zu sein scheint, ist kein Monster. Es handelt sich bei diesen außerirdischen Wesen um technisch entwickelte, aber emotionale recht unterentwickelte, zweckorientierte Wesen: eher einem Erhaltungstrieb folgend, reisen sie durchs All auf der Suche nach Rassen, die sie assimilieren können. Es ist ihre Gefühllosigkeit, ganz im Geiste der Body Snatchers, die sie so bedrohlich macht.

Elendig gekürzter Roman

King würzt die Story mit seinen härtesten politischen Angriffen seit den Endsiebzigern, als er, wie, in „The Dead Zone“ oder „Firestarter“, Nixon, Vietnam-Politik, die Republikaner sowie die staatlichen Geheimdienste attackierte. Hier ist es die Angst vor einem Nuklear-Unfall, vor einem zweiten Tschernobyl („The Tommyknockers“ erschien ein Jahr nach der Reaktorkatastrophe) oder Three Mile Island, die Gardener zur Wut treiben. Nur, dass sein Publikum ihn, den betrunkenen Dichter, nicht für voll nimmt. War Johnny Smith („The Dead Zone“) eine Stimme der Vernunft, ist Gardener ein prügelnder Chaot, der mühelos zwischen Philosophie und Gelall changiert.

Das Buch hat einige Schwächen; nicht alle Episoden aus der Stadt Haven (die, wie so viele King-Kleinstädte, fast nur von schwachen, korrupten oder kaltherzigen Menschen bevölkert und am Ende einfach vom Erdboden gewischt wird) sind der Rede wert. Der fliegende, mörderische Cola-Automat ist recht blöd; Bobbi Andersons höchst misanthropische Schwester, die eine der besten Nebenfiguren seines Schaffens überhaupt zu werden drohte, findet ein schnelles, unrühmliches Ende – einfach schlecht geplottet.

Gardeners Abflug ins All

Auf Bestseller getrimmte Bücher durften damals nie so richtig lang sein. Dieses Schicksal teilten sie bis in die Neunziger auch mit dem Kino, bis „Titanic“ 1997 der erfolgreichste Film aller Zeiten wurde. Leser nicht überfordern, schon klar, etc usw.! Nur so lässt sich – obwohl: nein, nicht wirklich! – verzeihen, dass „The Tommyknockers“ auf deutsch ähnlich gekürzt erschien wie „It“. Womöglich fühlte sich der deutsche Verlag auch dem Druck ausgesetzt, ein King-Buch nach dem anderen pünktlich auf den Markt bringen zu können. Dieser Kürzungs-Wahn hatte dem Leser 1987 aber auch eines der schönsten King-Enden verdorben.

Das Buch schließt in Wirklichkeit nicht mit Gardeners Abflug ins All. Sondern mit den beiden kleinen Brüdern David und Hilly, die sich endlich wieder in die Arme schließen können. Der kleinere Hilly musste zuvor auf Altair 4 ausharren und leiden – ein karger Planet ohne Atmosphäre, auf den die Tommyknockers Problemfall-Menschen schicken, die dort verzweifelt nach Sauerstoff schnappen.

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