„Revival“: Stephen Kings letzter 5-Sterne-Roman erschien vor 10 Jahren

„Revival“: Stephen King dürfte wenig Grausameres als diese Geschichte eingefallen sein

Stephen King – Das Ranking

06. Revival (2014)

★★★★★

Jeder Roman ist auch eine Hommage, da Autoren mindestens unterbewusst Inspirationen in ihre Werke einfließen lassen. Stephen King kommt schon in seiner Widmung zur Sache. Er nennt elf Namen, darunter Urmütter und Urväter des Horrors (Mary Shelley und Arthur Machen), Väter (H.P. Lovecraft, Bram Stoker), als auch Weggefährten (Peter Straub).

Der vom Glauben abgefallene Priester Charles Jacobs, der als Zirkus-Wanderprediger mit Strom experimentiert und damit glaubt, das Leben nach dem Tod erforschen zu können, stammt aus dem klassischen Ray-Bradbury-Figurenpool. Die Anspielung findet sich direkt im Künstlernamen „Dr. Electrico“.

Die Idee vom Ich-Erzähler, der von den ersten Seiten an auf ein großes Unglück hinberichtet, hat King natürlich von Lovecraft übernommen. Aber anders als sein Vorbild, das Chroniken angekündigter Tragödien konstruierte, hält er seine Leser im Unklaren, ob es nicht doch ein Happy End für seine Figur des Jamie Morton geben kann. Was ihm blüht, offenbart sich erst auf den letzten Seiten. Die Zielgrade bleibt im Dunkeln.

Nicht Tod, nicht Licht, nicht Ruhe

„Angesichts dessen, was mich eventuell nach dem Tod erwartet, will ich so lange wie möglich leben“, lautet Mortons Fazit. Stephen King dürfte bislang wenig Grausameres als ein derartiges Resümee eingefallen sein. Ein derart übles Roman-Ende hat es seit dem „Friedhof der Kuscheltiere“ nicht gegeben. Das ist es, was den Menschen nach ihrem Ableben erwartet: „Nicht Tod, nicht Licht, nicht Ruhe.“

Der Ex-Junkie und Musiker folgte den Experimenten seiner einstigen Vaterfigur Jacobs, den er seit Kindesbeinen kennt. Nach dem Tod seiner Frau und seines Kindes hat der ehemalige Reverend sich von Gott abgewandt. Und will versuchen, mittels „Geheimer Elektrizität“, einer „Kraft, die über das menschliche Verständnis hinausgeht“ und „unser Universum begründete“, einen Blick ins Jenseits werfen zu können. Dafür muss er Menschen finden. Die bereit sind zu sterben.

Versuche an Todkranken

Elektrizität ist natürlich nicht menschengemacht. In seinem Roman widmet sich King der Frage, was Gott, Glaube und Religion überhaupt sind. Ein alter Mann mit Rauschebart, eine unerklärliche Energie? Morton glaubt, dass der Ex-Geistliche Jacobs von einem ganz anderen Motor als die Suche nach dem Sinn des Lebens angetrieben wird. An Gott, der ihm die Familie nahm, könne er sich nicht rächen, deshalb führt er seine Versuche an Todkranken durch.

Jacobs betrachtet Religion als eine Art Versicherungspolice, in die man mit dem Glauben als Währung einzahlt, und von der man am Ende nichts bekommt. Auch deshalb will er ins Jenseits vorpreschen: Um Religion zu entweihen, zu zeigen, dass Gott nicht existiert, alle Taufen, Gebete, alle Glaubenskriege umsonst stattfanden.

Im vielleicht eindrücklichsten Dialog nähert sich der Pastor dem noch jungen Jamie beim Spiel mit Plastiksoldaten an einem Erdhügel. Kinder wollen groß sein und Kontrolle ausüben, auch dafür ist Spielzeug da, und schon hier zeigt sich im übergroßen Schatten Jacobs‘, dass das Kind sich nie ganz von ihm wird lösen können; es entsteht ein militär-strategischer Dialog über das Geschehen mit den Actionfiguren.

Auch seine eigene „Glaubensrichtung“ hat Stephen King zu Papier gebracht: Er spielt in der Band Rock Bottom Remainders, und auch seine Figur des Jamie Morton ist begeisterter Gitarrist. Die E-Gitarre läuft ja mit Strom, und es gibt nicht wenige Menschen, für die Musik ein Draht zu Gott darstellt.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates