Stephen Kings „Stark – The Dark Half“ wird auch im 35. Jubiläumsjahr nicht besser

Traurig, aber wahr: Als Kokainsüchtiger hat Stephen King die besseren Bücher geschrieben

Stephen King – Das Ranking

87. „The Dark Half“ (1989, deutsch: „Stark – The Dark Half“) ★ ½

Das Jahr 1989 sollte ein sehr wichtiges werden für King. Sein neuer Roman, „The Dark Half“, war der erste, der nach seinem Kokain- und Alkoholentzug veröffentlicht wurde. Und King wollte sich ordentlich von seinem Pseudonym Richard Bachman verabschieden. Das Alias wurde von einem aufmerksamen Leser und Buchhändler unfreiwillig enttarnt. King fühlte sich eines Teils seiner künstlerischen Identität beraubt. Der Roman leitete den Abschied von der fiktiven Stadt Castle Rock ein, die der 43-Jährige für ausgelutscht hielt. In „Four Past Midnight“ (1990) und „Needful Things“ (1991) würde er nochmal auf das verwunschene Örtchen zurück kommen.

Stark wird real

In „The Dark Half“ geht es um einen parasitären Zwilling namens Stark (also in Wirklichkeit Bachman), der zwar im Mutterleib von seinem Bruder „absorbiert“ (also einverleibt), aber später als fiktiver Schriftsteller auch von ihm am Leben gehalten wird. Als der Autor Thad Beaumont sich seines Pseudonyms entledigen will, kann die „dunkle Hälfte“ das nicht hinnehmen. Stark wird real. Entsteigt seinem „Grab“ und mordet so lange im privaten Umfeld seines Bruders, bis der ihn wieder zurück in die Familie nimmt.

Dies ist ein Buch, das unbeschreiblich wichtig für King gewesen sein muss. Der „Kampf gegen die inneren Dämonen“, die Erwartungshaltungen der Leser, die Ängste des Schriftstellers. Als Genre-Autor für voll genommen zu werden, die Angst vor dem weißen Papier. Nur: Für den Leser bringt das alles nichts. „The Dark Half“ ist eine Tunnelblick-Geschichte. Von Luxus-Angst zu sprechen wäre vielleicht ungerecht, aber die Probleme hat der Autor exklusiv für sich.

Der gute alte Pangborn

Vor allem, so etwas passiert King sonst nicht, ist die Struktur verkehrt. Der Leser erfährt von Anfang an, dass George Stark unter den Lebenden wandelt, während die anderen Romanfiguren, der Schriftsteller, seine Frau und der Sheriff dessen Existenz bezweifeln, verneinen, beglaubigen und dann erst akzeptieren müssen. Die Herleitung ist für uns Wissende uninteressant. Noch schlechter wird es, wenn die erschrockene Ehefrau noch einmal laut vorliest, was ihr Gatte im Traum-Wahn zu Papier gebracht hat. Und was der Leser kurz zuvor schon erfahren hat. Das ist Dramaturgie aus dem Seifenoper-Fernsehen. So lange Emotionen walken, bis wir alle die Dringlichkeit verstanden haben.

Wenigstens hat King mit dem Sheriff Pangborn eine seltene Sympathiefigur unter den Cops geschaffen (sie wird uns in einem späteren Roman wieder begegnen). Endlich wieder ein Polizist aus Castle Rock, so wie der unglückselige Bannerman (den Cujo sich einst schmecken ließ).

Seite 445 von 520

Doch spätestens, wenn Sheriff Pangborn, wir sind zu diesem Zeitpunkt auf Seite 445 von 520 angekommen, die Frage stellt: „Kann es sein, dass George Stark wirklich existiert?“, dann ist hier etwas gewaltig schief gelaufen. Detektivspiele sind nur dann spannend, wenn man mitraten kann.

Die Mythologie der Sperlinge – sie gelten als Todesboten, die einen Menschen in die Unterwelt mitnehmen – hat ihren Reiz. Dass die Vögel tatsächlich morden werden, liegt auf der Hand und schwächt das Finale.

Am Ende gelingt es King fast doch noch, die Kurve zu kriegen. Auch der „gute“ Schriftsteller Thad Beaumont offenbart seine Schattenseiten. Ein Teil von ihm wäre gerne so draufgängerisch, brutal und smart wie Stark. Der, was eine gewisse Putzigkeit offenbart, doch nur will, dass sein „Bruder“ ihn durch Schreiben in neue Abenteuer schickt.

Der Roman endet damit, dass Thad die Hände vors Gesicht schlägt. Ein Alptraum wurde abgewehrt. Aber nichts ist klar. Gar nichts. Vielleicht hat Stark in ihm etwas verändert. Vielleicht wird auch er seine dunkle Seite ausleben.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates