Amyl And The Sniffers
„Cartoon Darkness“
Rough Trade/Beggars (VÖ: 25.10.)
Australischer Punk-Hedonismus mit Polit-Untertönen.
Punkmusik scheint für junge Menschen noch immer eine geeignete Ausdrucksform zu sein, um ihren Frust über eine sich zu Tode entertainende Welt zu kanalisieren. Dass es sich dabei selbst um Entertainment handelt, wird postmodern mitreflektiert. Bei Amyl And The Sniffers trifft Wut auf Leidenschaft und Hedonismus. Die australische Sängerin Amy Taylor möchte auf dem dritten Album ihrer Band nicht weniger als die Klimakrise, die Bedrohung durch KI und die Augenwischerei digitaler Partizipation verhandelt wissen.
„Die Zukunft ist cartoon … ist ein Witz“, lautet Taylors Verdikt. Und mit entsprechend fröhlichem Nihilismus geht das Quartett zu Werke. Ok, Weltuntergang! Aber bitte mit einer ordentlichen Portion Spaß! „Cartoon Darkness“ beginnt mit klassischem Punk. In „Jerk“ bellt Taylor mit einer so lustvollen Verachtung, dass man sich kurzzeitig ins Jahr 1978 zurückgebeamt fühlt. Die hysterische Überdrehtheit einer Poly Styrene (X-Ray Spex) muss freilich das unerreichbare Vorbild bleiben.
Ein launiges, anachronistisches Punk-Vergnügen
Als wüssten Amyl And The Sniffers selbst, dass die allermeisten Riffs gebraucht sind und das Vokabular in ihrem musikalischen Stammrevierrecht schnell erschöpft ist, mühen sie sich Kraft ihrer Fähigkeiten nach Veränderung. Die Standortbestimmung „U Should Not Be Doing That“ stampft selbstbewusst auf Glam-Pfaden. „Doing In Me Head“ erinnert an frühe Arctic Monkeys, „Pigs“ wagt ein beinahe virtuoses Gitarrensolo.
Und das finale „Me And The Girls“ wartet mit Disco-Pop-Elementen und Vocoder-Stimmen auf. Im vermutlich ganz bewusst stumpfen „Tiny Bikini“ singt Taylor mit gespielter Barbie-Stimme über ihre Vorliebe für leichte (Bade-)Bekleidung, die ihrer Meinung nach nichts mit einem männlichen Blick zu tun hat. Die Vertreter:innen des Plastiktittenfeminismus, die die Zeichen der Emanzipation stets im Körper erkennen, werden es abfeiern. Für alle anderen bleibt „Cartoon Darkness“ vor allem eins: ein launiges, anachronistisches Punk-Vergnügen.