Die 100 besten Musiker aller Zeiten: Muddy Waters – Essay von Billy Gibbons
Muddy ließ drei Akkorde tiefgründig klingen. Und das sind sie auch.
Muddy spielte 1981 im Vorprogramm von ZZ Top. Das war 40 Jahre nach seinen ersten Aufnahmen, aber diese Band hatte den Blues immer noch drauf. Nicht wie routinierte Profis, sondern mit demselben Enthusiasmus wie in Muddys Anfangszeit. Als er „Got My Mojo Working“ sang, da spürte man, dass sein Mojo in der Tat noch immer bestens funktionierte. Er war zufrieden, er bewahrte Haltung, er genügte sich selbst. Wenn er zu einem Thema eine Meinung hatte, dann konnte man ihn schwer davon abbringen.
Muddy Waters – „Got My Mojo Working“:
In den späten Sechzigern und frühen Siebzigern hieß es unter jungen Musikern auf einmal, man müsse wieder zurück zu den authentischen Sounds der Fünfziger, und alle bezahlten horrende Preise für Gitarren aus dieser Zeit. Muddy Waters wurde dauernd gefragt, wie er seinen Sound hingekriegt habe und auf welchen Instrumenten sie damals gespielt hätten.
Seine Antwort lautete für gewöhnlich: „Alles, was wir uns irgendwie leisten konnten.“ Er erzählte uns eine Geschichte über Walter „Shakey“ Horton, der mit einem Freund in einer Taxizentrale arbeitete.
Ein gestohlenes Taxifunkmikro
Einmal, am Ende der Schicht, nahmen sie eine Zange und schnitten das Mikrofon ab, sodass sie etwas hatten, womit sie die Mundharmonika verstärken konnten.
Da habt ihr den authentischen Sound des Blues – ein gestohlenes Taxifunkmikro.
Man beschreibt seinen Sound immer als roh und dreckig, aber besonders laut war er nicht. Es klang nur so. Ein Gitarrenverstärker in den Fünfzigern war kaum größer als ein Radio. Um sich gegen den Lärm einer Party durchzusetzen, musste man ihn voll aufdrehen. Und verließ damit den sauber klingenden Bereich der elektronischen Schaltkreise und betrat das Land der Verzerrung, die alles so viel deeper machte. Wenn man keine Big Band mit 20 Musikern hatte, dann brauchte man eben 20 Watt.
Die meisten in meiner Generation haben Muddy ja sozusagen rückwärts entdeckt, durch die Rolling Stones, die ihren Namen aus einem Song von ihm haben.
Die Slide-Gitarre traf die Nuancen der menschlichen Stimme besser als jedes andere Instrument
Ich hörte ihn, kurz bevor die Stones rüberkamen, aber es ist egal, ob man ihn nun rückwärts, von vorn oder von der Seite entdeckt. Jedenfalls habe ich nicht zuletzt wegen Muddy das Gitarrespielen angefangen. Er fing in Mississippi auf der Akustischen an, benutzte seinen Daumen für die Basslinien und einen Flaschenhals für die Melodien auf den oberen Saiten.
Die Slide-Gitarre traf die Nuancen der menschlichen Stimme besser als jedes andere Instrument. Es war im Grunde ein Robert-Johnson-Ding, und Muddy brachte es nach Chicago, setzte es unter Strom, packte Bass, Harmonika und einen guten Backbeat dazu – und fertig ist die Party.
Man hört seinen Enthusiasmus in Bands wie den White Stripes oder den Black Keys. Und sein erstes Album, „The Best Of Muddy Waters“ mit all den Chess-Singles drauf, das kann ich jedem nur empfehlen. „Honey Bee“, „Rollin‘ Stone“ na Blues“, „She Moves Me“ – jeder Track ist etwas wert. Die Alben, die Johnny Winter Ende der Siebziger produzierte, sind auch großartig, „Hard Again“ und „I’m Ready“. Johnny verstand die Musik und fing den Raum der frühen 50er-Jahre ein.
Diese Musik war nie als etwas Langlebiges gedacht. Nur Lärm auf einer Schellackscheibe. Jetzt schreiben wir das 21. Jahrhundert und rätseln immer noch, wie eine so simple Kunstform so kompliziert und subtil sein konnte. Muddy ließ drei Akkorde tiefgründig klingen. Und das sind sie auch.