Reeperbahn Festival: Eine Feier der integrativen Kraft von Popmusik

So war das Reeperbahn Festival am Mittwoch und Donnerstag

Strahlend blauer Himmel über der Reeperbahn. Und aus jeder offenen Tür, von jeder Bananenkiste und jedem Autodach herab scheppert, dröhnt und pumpt der Sound einer enormen musikalischen Vielfalt. Der Donnerstag, der zweite Tag von Europas größtem Club Festival, ist traditionell der entspannteste.

Weil es noch nicht ganz so voll ist wie am Wochenende, aber für das Publikum allerhand zu entdecken gibt. Zum Beispiel beim Korea Spotlight, einem Showcase mit koreanischen Bands und Künstler:innen, die auf der großen Openair-Bühne am Spielbudenplatz zeigen, dass aus Asien mehr kommt, als im Gleichschritt hüpfende Girl- und Boy-Groups.

Vor allem Touched beeindrucken mit einem kraftvollen Rocksound, kleinen Prog-Schlenkern und dem tollen Gesang von Sängerin und Gitarristin Yun Min. Alle vier Musiker:innen sind Absolventen des Seoul Institute of the Arts, mehr Perfektion und Bühnenpräsenz bietet an diesem Abend keine andere Band.

Doch der Donnerstag ist auch der Tag der Empfänge auf dem Reeperbahn Festival, Reception nennt man das hier im internationalen Sprech. Alle haben sie Clubs und Locations angemietet, Sony und Universal, ebenso wie die Hamburger Club- und Label-Betreiber, die zu einem „Treffen“ im altehrwürdigen Komet einluden.

KI im Saal der Beatles

Natürlich ist auch der ewige Konkurrent Berlin am Start, mit unendlich vielen Branchenvertreter:innen und Musiker:innen, angereist im Flixtrain, wo man sich die Reise mit kleinen Gigs in den Waggons versüßte. Gestern Mittag ging es dann im Ereignisraum Berlin bei einem Panel im Traditions-Club Indra – die Beatles begannen hier 1960 ihre Karriere – zunächst um „KI und die Individualisierung in der Musikindustrie“. Der Fokus lag auf KI-getriebener Musikproduktion und individualisierten Musikerlebnissen durch Kopfhörer. Ein ebenso kontroverses wie komplexes Thema, das die Art und Weise wie wir in Zukunft Musik hören nachhaltig verändern wird.

Anschließend zeigte der preisgekrönte Hochschulprofessor, DJ und Musiker Bertholt Meyer, der ohne einen linken Unterarm geboren wurde, mit einem Showcase, dass er sich von seiner Prothese keineswegs einschränken lässt. Weil seine ursprüngliche Prothesenhand zu unpraktisch war, für die Steuerung eines modularen Synthesizer-Setups, begann Meyer mit der Erforschung von Möglichkeiten zur Verbesserung seiner kreativen Arbeit, indem er den Signalfluss zwischen Gehirn und Handlung wesentlich verkürzte. Klingt kompliziert, war aber ein sehr schönes Modular-Synthesizer-Set.

Die große Berlin Reception, am frühen Abend im Garten des Indra, dürfte gestern zu den gefragtesten Empfängen des Festivals gehört haben. Die Schlange am Eingang war schier endlos, trotz aller Bemühungen der Mitarbeiter:innen von Berlin Level. Drinnen war es dann ein sehr launiges Branchentreffen zu dem auch der Musikverlag Budde Music eingeladen hatte, ebenso wie die Berlin Music Commisson und das Berliner Stadtmarketing.

Sogar einen himmelblauen Bären hatte man vor dem Eingang aufgebaut. Und natürlich gab es auch diverse Grußworte, etwa von Olaf „Gemse“ Kretschmar, einst Gründer des Kult-Clubs Delicious Doughnuts, jetzt Chef der Berlin Music Commisson, der die integrative Kraft von Popmusik beschwor.

Deeper Soul-Pop, vorgetragen mit einer fantastischen Stimme

Und natürlich folgten danach Auftritte von Berliner Newcomern, wie Hanna Leess, Prismala und Kalla x Lai Raw, unter dem Motto „Listen To Berlin: Live“.

Besonders beeindruckend war die Sängerin Joey Steffens, die sich King Josephine nennt und im Herbst ihre Debüt-EP veröffentlicht. Deeper Soul-Pop, vorgetragen mit einer fantastischen Stimme, von der wir sicher noch mehr hören werden.

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