Isolation Berlin

„Electronic Babies“ – Schrullen-Zauber

Universal (VÖ: 11.10.)

Herzerwärmendes Treffen von Liebesliedern und Krawall.

„Es ist ja nicht so, dass ich jetzt ein Weltstar bin“, hatte Sänger Tobias Bamborschke vor einigen Jahren im Interview gesagt, als es von allen Seiten Bewunderung hagelte. Ein Typ wie in Frankreich. Ein Chansonnier mit flotter Marinemütze, Theater­ausbildung, Lyrikbänden und einer Band, die zwischen deutscher Melancholie und Velvet Underground changierte. In den zwölf Jahren seines Indie-Daseins beschritt das Quartett einen eigenwilligen Karrierepfad, an dem auch der aktuelle Wechsel zum Major-Label nicht viel zu ändern scheint. Promi-Produzent ­Moses Schneider hat zwar seine Mikrofone aufgebaut, und Sven Regener, den Bam­borsch­ke von der Crucchi Gang und diversen Gastauftritten kennt, spielt irgendwo Trompete. Doch das alles ist eher Beiwerk. Die Berliner Isolation entfaltet ­weiter  ihren schillernden Zauber.

Ein Mix aus Minnesang und Auf-die-Glocke, der im deutschen Pop ziemlich einzigartig ist

Das Grundgerüst des Albums bilden allerlei Liebeslieder mit schrulligen Titeln wie „Hinterm Vattenfallmond“, wo The Smiths durchklingen und der Chef jubiliert wie der frühe Morrissey. „Wir wollten sterben und unsterblich werden“ heißt eine Zeile. Sehr leise und nachdenklich ist „In dem Park auf der Bank“, wo Sehnsucht, Einsamkeit und ein krakeelender Säufer wohnen, „die Luft riecht nach U‐Bahn und Zeitungspapier“. Wieder ein Herzschmerz-­Thema verquirlt mit Großstadtpoesie, die immer einen schroffen Schlenker macht, bevor es kitschig wird. Oder verhallte Marsch­takte, die nach Kaiserzeit klingen und das schelmische „Deine Mutter schmiert die Butter“ mit hüpfendem Piano und Schüttelreimen eröffnen: „Deine Schwestern/ Hörn nicht auf zu lästern.“

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Und dann, weil es Spaß macht, brettert ein schneller Punk-Song wie „Ratte“ rein. In seinem schroffen Dialog aus Bass, Gitarre und Lyrics könnte das aus einem Avantgarde-Sampler von 1979 stammen. Der Titelsong, „Elec­tro­nic Babies“, bollert mit Bassläufen und eingestreuten Disharmonien. Bei „Drugs“ zieht Bamborschke die Worte wie Kaugummi. Die Musik flackert wie eine kaputte Neonröhre. Kurzum: Ein Mix aus Minnesang und Auf-die-Glocke, der im deutschen Pop ziemlich einzigartig ist.