Pop Kultur 2024: Zwischen Diskurs und veganer Bratwurst
Das Berliner Avantgarde-Festival feiert 10. Jubiläum. Breites Programm von A Certain Ratio und Arab Strap bis zum „Focus on Africa“
Unter den größeren Convention Festivals in Deutschland genießt „Pop Kultur“ in Berlin eine Art Sonderstellung. Schon mit der Gründung 2014 als Treffen für Diskurs, Avantgarde und quergebürstete Ansätze konzipiert, gab es neben „normalen“ Indie-Konzerten immer wieder kulturpolitische Aufgeregtheiten.
Anfangs noch im Techno-Walhalla Berghain angesiedelt, wirkte der wilde Mix aus Musik, Lesungen, Diskussionspanels und eigens konzipierten Sondershows („commissioned works“) zuweilen wie ein Dampfkochtopf.
Seit dem Umzug auf das kompakte Gelände der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg ist die Stimmung relaxter geworden. Man isst eine vegane Bratwurst und schaut mal beim Konzert im Kesselhaus oder im Frannz Club vorbei.
Über die Jahre gab es diverse Boykott-Aufrufe der israel-feindlichen Bewegung BDS, weil etwa die israelische Botschaft oder die Fluggesellschaft El Al zu den Logistik-Sponsoren einiger Acts der „Pop Kultur“ gehörten. 2017 sagte nicht nur die UK-Band Young Fathers ihren Auftritt ab. Das „Pop Kultur-Festival hat es überlebt.
Weiterhin jenseits des Mainstreams
Zum 10. Jubiläum segelt man weiterhin jenseits des Mainstreams. Auch bewährte Altmeister wie die Manchester-Elektroniker A Certain Ratio, die Postpunk-Veteranen Swell Maps, das Duo KVB oder Arab Strap sind nicht gerade Stadionrock.
Los geht’s am Mittwochabend (28. August) mit dem Duo Twin Flame, bestehend aus Sedric Perry und K.ZIA, das Afrobeats, Amapiano, Soul und R’n’B eigenwillig fusioniert.
Die Band Hope wird zusammen mit der britischen Filmemacherin Emma Critlchley akustisch und visuell in Unterwasserwelten tauchen, eine erste „commissioned work“ zum Album „Navel“. Dabei sind am Eröffnungsabend sind auch Ilgen-Nur oder Mary Ocher.
Ein besonderer Programmpunkt heißt „Focus on Africa“, der eine afrikanische Moderne mit Popstars wie Yemi Alade, Black Sherif, Lady Donli oder Blinky Bill zeigt, im Dialog mit so unterschiedlichen Pop-Ansätzen wie von Christin Nichols, Blumengarten, Ivo Dimchev oder der tamilisch-schweizerischen Sängerin Priya Ragu. Insgesamt 15 eigens komponierte Sondershows feiern zur 10. Ausgabe ihre Premieren.
Aus dem Segment „Pop-Kultur Diskurs“ gibt es zwei interessante Runden im Kontext der „Heavy Metal in der DDR“-Ausstellung im Museum in der Kulturbrauerei. Robert Mießner und Vincent Bababoutilabo sprechen mit Sandra Teitge über das Bestehen und Verschwinden von DDR-Musikkulturen nach der Wiedervereinigung. Luca Schuldt und Lukas Juretko wiederum erörtern mit Julia Boxler „Metal im ›Osten: Fantum, Rechtsrock, Gatekeeping und Gender“.
Volles Kultur-(Brauerei-)Programm also bis zum 30. August.