Ethan Stockley-Young sprintet von seinem Marshall-Röhrenverstärker zur Bühnentraverse. Die Gitarre wirft er über seine Hüfte, er springt hoch und hangelt sich von einer Querverstrebung des massiven Metallgerüsts zum anderen. Oben angekommen, spielt er unbeirrt weiter. Frontmann Theo Polyzoides rockt derweil ein paar Meter weiter unten, wirft sich abwechselnd in die Arme des Publikums oder reckt sich auf den Monitorboxen, stets nutzt er die gesamte Fläche der Bühne. Der Blick auf die Uhr wirkt seltsam: Es ist gerade mal zwölf Uhr dreißig, aber es fühlt sich an, als wären wir auf einer Headliner-Show zur Prime Time. Es dauert gefühlte zwei Sekunden, bis King Nun das Publikum an diesem Tag ganz in ihrer Hand haben.
Würde man die britische Band mit einem Motor vergleichen, dann wären sie ein Sechszylinder, der im Bruchteil einer Sekunde von 0 auf 100 beschleunigt. Ohne Anlauf, aber dafür mit einem immensen Energieauf- und Abtrieb. „Wenn unser Set gut gelaufen ist, dann humpeln wir von der Bühne, während wir unsere Gliedmaßen gerade noch irgendwie zusammenhalten“, erzählt Frontmann Theo Polyzoides lachend. „Wir schleppen uns runter und können gerade noch stehen. Wenn das so ist, dann war es eine gute Show und das ist auch heute so gelaufen“.
Von einem Energiecrash, den die Band auch vor der Show normalerweise hat, ist am Tag ihrer Show nichts zu merken. Es ist kurz nach zehn Uhr morgens, als wir die Musiker im Backstagebereich des 2000Trees Festivals in Upcote Farm nahe dem britischen Cheltenham treffen. King Nun kommen mit einem gemieteten Van an, gefahren wird selbst. Die Band ist entspannt und zu Späßen aufgelegt. Theo hat seine Bluetooth-Lautsprecherbox, den Marshall Middleton dabei. Der robuste Speaker ist staubdicht und wasserresistent und dank seiner über 20 Spielstunden pro Akkuladung der ideale Begleiter auf Festivals – sogar auf schlammigen! Theo nutzt ihn an diesem Tag aber nicht nur, um im Backstagebereich Musik zu hören, sondern auch, um via Bluetooth-Handymikrofon alberne Ansagen aus dem Off in die Garderobe zu boosten, während sich seine Kollegen auf den Gig vorbereiten. Einzig Ethan ist merklich ruhig und schweigsam. Er hat die Nacht zuvor wenig geschlafen, wie er später erklärt. Auf der Bühne angekommen, merkt man davon keine Spur mehr. Wenige Momente, nachdem die Show aus ist, folgt dann tatsächlich der Energiecrash. Ethan liegt am Boden, die Arme über den Augen verschränkt, die Ellenbogen im Gras. Die Band ist schweigsamer als vor dem Gig und muss kurz regenerieren. Wenige Momente später geht es für sie weiter: Interviews, Fototermine, spezielle Fan-Aktionen. Rock’n’Roll-Festivalalltag eben – wenngleich auf einem, trotz seiner 15.000 Besucher, außergewöhnlich entspannten Festival.
„Wir wussten von Anfang an, wo wir hinwollen“
So entspannt die Band ist, so zielstrebig ist sie auch. „Wir wussten von Anfang an ganz genau, wo wir hinwollen“, erzählt Theo. Mehr als ein Jahrzehnt gibt es King Nun bereits – und je bekannter und erfahrener die Band wird, desto weniger lassen sie Kompromisse zu. Das gilt besonders für die Albumproduktion, die mittlerweile Schlagzeuger Caius Stockley-Young übernimmt. Dies hat ganz pragmatische Gründe, wie Caius verrät:„ Es ist einfacher, wenn die Jungs mir sagen, wie sie die Sachen haben wollen – denn ich weiß gleich genau, was sie meinen. Das ist effektiver, als wenn jemand Externes kommt. Nicht, dass die Leute, mit denen wir bislang gearbeitet hätten, nicht auf ihre Weiser großartig waren. Wir haben dadurch eine Menge in puncto Kommunikation gelernt – und jetzt können wir es selbst umsetzen. 2023 erschien ihr Album Lamb. Ob sich die Stücke live mit der Zeit verändern, will ich von ihnen wissen. „Wir spielen sie jetzt alle viel schneller. So läuft das bei uns: Sie sind jetzt alle zehn Beats per Minute schneller“, erklärt Nathan.
Mittlerweile sind King Nun bei Marshall Records unter Vertrag – und ganz abgesehen davon, dass die Amps („Meinen JCM800 hatte ich aber bereits vor dem Signing, damit das klar ist“, betont James!) und Kopfhörer der legendären Marke in ihrem Touralltag sowieso unverzichtbar sind, zeigt sich die Band glücklich über ihre neue Heimat. „Sie unterstützen uns sehr und lassen uns unser Ding machen. Die Zusammenarbeit ist großartig“, meint Theo und ergänzt: „Außerdem tun sie eine Menge – und ich meine damit eine wirklich große Menge – für die Rock’n’Roll-Welt!“.
Am Ende des gemeinsamen Tages spazieren wir nochmal gemeinsam an einem nahegelegenen Teich des Festivals, King Nun posieren für ein paar Bilder auf einem Marshall-Geländewagen, der (wir sind hier schließlich auf einem Rock’n’Roll-Festival!) schon die eine oder andere Schlammpfütze gesehen hat. King Nun, soviel verrät Theo am Ende unseres Gesprächs, arbeiten bereits an neuer Musik, neue Shows sind in Planung. Wir verabschieden uns per Fistbump, dann setzt sich der Sänger und Gitarrist seine Kopfhörer, die Marshall Major V auf, nimmt seine Gitarre und marschiert Richtung Band-Van, wo seine Bandkollegen James Upton (Gitarre), Nathan Gane (Bass), Caius Stockley-Young (Schlagzeug) und Ethan Stockley-Young (Gitarre) bereits auf ihn warten.
Alle Produkte sind auch auf der Marshall-Webseite erhältlich.