Olympia in Paris hatte wahrlich einen glänzenden Pop-Anstrich
Die Pariser Spiele demonstrierten etwas, das in diesen Zeiten selten geworden ist: Unbekümmertheit.
Nach mehr als zwei Wochen stand ein Feuerwerk und der Sinatra-Klassiker „My Way“. Die französische Sängerin Yseult, bisher vor allem in ihrer Heimat bekannt, nun ganz sicher auch weltweit ein Star, verband die französische Leichtigkeit der Spiele mit dem schon jetzt angedeuteten Spektakel für Olympia 2028 in Los Angeles. Und sie interpretierte mit ihrem Abschlusslied die gloriose Rückkehr des Sport-Events nach Europa auch als eine trotzige wie selbstbewusste Inszenierung der eigenen Besonderheit.
Olympia in Paris, das war ein Fest. Es gab rasante Wettkämpfe mit überraschenden Gewinnerinnen und Gewinnern. Der schnellste Mann der Welt war nur Tausendstel schneller als der zweitschnellste. Turnmeisterin Simone Biles ist wieder da – und so gut wie nie zuvor. Die Chinesen gewinnen jeden Wassersprungwettbewerb. Und die Deutschen sind, wenn es nicht um modernen Fünfkampf geht, auf dem Pferd kaum zu schlagen. So viel zum sportlichen Mehrwert der Spiele, die ästhetische Bilder (Surfen in Tahiti, mit Walhecht und einem Jahrhundertsportfoto) lieferten und neue Wettbewerbe zelebrierten (Breaking). Aber dieses Fest stand eben auch im Zeichen der unbezwingbaren Kraft der Popmusik. Und das nicht nur wegen des raffinierten Markenbotschafters Snoop Dogg.
Paris und Olympia zeigten sich von ihrer besten Seite
Schon bei der Eröffnungsfeier begeisterten Lady Gaga und vor allem Céline Dion. Die ganze Welt weiß um das Leiden der Kanadierin. Nun stand sie vor dem Eiffelturm, sang ein Lied der größten aller französischen Chanson-Sängerinnen und tat das so kraftvoll wie eh und je. Das konnte niemanden kalt lassen, wie auch die ganze Eröffnungsfeier nicht. Keine pompöse Theatershow im Stadion, dafür Allzusymbolisches im Zentrum der Stadt der Liebe. So etwas gab es noch nie. Manchen war es zu bunt, doch nicht einmal der Regen konnte die fabelhaften Ideen wegspülen, die hier aneinander gereiht wurden. Man wird sich nicht nur an die Athleten erinnern, wie sie mit Booten über die Seine schipperten, sondern vor allem an ein mechanisches Pferd, das minutenlang zu Kolossus-Klängen übers Wasser galoppierte.
Aber nicht nur das war POP im besten Sinne, also eine Schau der künstlerischen Mehrwerte, die nun einmal Europa anderen Kulturzonen der Welt voraus zu haben scheint. Oder auf die es bei aller Kleinrederei noch stolz sein möchte. Zugleich war Musik allgegenwärtig. Nur zwei Momente von vielen seien hier genannt. Die offenherzig gläubige Gold-Kugelstoßerin Yemisi Ogunleye sang vor der Kamera nach ihrem Sieg den Gospel-Song „This Little Light of Mine“. Himmlischer Stolz! Beim Beachvolleyball-Finale der Frauen gingen sich die Kanadierinnen und Brasilianerinnen fast an den Kragen am Netz. Dann spielte der DJ John Lennons „Imagine“, das Publikum stimmte ein und die Sportlerinnen konnten einander nicht mehr böse sein. Sie lächelten und spielten weiter.
Dieses heitere Lachen, es steckte auch in der etwas langen Abschlussfeier, die natürlich wieder mit einer Piaf-Verbeugung begann, die in einem leicht missglückten Karaoke-Versuch im Stade de France Chansons und natürlich die Queen-Hymne „We Are The Champions“ als Pausenfüller darbot. Man wusste ja schon, dass Tom Cruise seine Muskeln spielen lassen würde, um die Olympia-Fahne nach Los Angeles zu tragen. Das war dick aufgetragen. Aber warum sollte Hollywood seinen Markenkern nicht genauso ausstellen wie das snobistisch-charmante Paris?
Zwischendurch verwandelten Phoenix, Ezra Koenig von Vampire Weekend und Air die Arena zu einer Partyzone, bei der selbst die Nachdenklichen mitsummen durften. Hier war für viele Platz, und die Nationalhymne der USA sang später dann nicht Taylor Swift, wie von manchen erhofft, sondern die vielleicht mit Stimme und mindestens mit Gitarre talentiertere H.E.R.
Ein wenig protzig mag das, was die Red Hot Chili Peppers am Stand in Los Angeles hinlegten, gewirkt haben. Es war aber klug, ihnen Billie Eilish folgen zu lassen. Mag es auch Playback gewesen sein, was sie da mit ihrem Bruder Finneas auf die Bretterbude im Sand zauberte, aber „Birds Of A Feather“ geriet ihr so federleicht, so amerikanisch direkt, dass sich ihr das Versprechen von gelassenen Spielen in Kalifornien abnehmen ließ.
Olympia hat auch mit diesen Pop-Momenten gezeigt, dass es immer noch – trotz all der IOC-Sauereien, Doping-Fällen und mit der Sorge um zu viel Brimborium bei den Wettbewerben – die größte Show der Welt sein kann. Und für mindestens zwei Wochen ein Fest des Friedens und der Gemeinschaft. Chapeau!