Kishi Bashi
„Kantos“
Joyful Noise/Cargo (VÖ: 23.8.)
Pop aus Seattle zwischen Anspruch und Oberfläche.
Kishi Bashi macht Musik über große Themen. Sein letztes Solowerk, „Omoiyari“, handelte vom Zweiten Weltkrieg, ein Konzeptalbum über die Inhaftierung unzähliger japanischstämmiger Amerikaner. Orchestraler Indie zwischen Erschütterung und Eingängigkeit. Und auch über „Kantos“ kreist Gewaltiges. Allein der Titel: eine Referenz an „Hyperion Cantos“, die Romanreihe des Science-Fiction-Autors Dan Simmons, vor allem aber eine Verbeugung vor Immanuel Kant. Eine Doppeldeutigkeit, die Komplexität verspricht. Die Musik löst das nur teilweise ein, denn Kaoru Ishibashi, so der bürgerliche Name des Multiinstrumentalisten, widmet sich eingängiger Tanzmusik.
Eine Hymne an die Umgänglichkeit
„Colorful State“ etwa beginnt mit lieblichen Streichern, dann stampfen breitbeinige Gitarrenakkorde über sie hinweg, Who-ho-ho-Chöre setzen ein. Leichtfüßiger Pop-Bombast. Auch „Late Night Comic“ ist so, mit tänzelnder Hi-Hat und hüpfenden Retro-Keyboards. Dazu wieder opulente Geigen, Bashis Markenzeichen. Als Violinist spielte er bereits mit Regina Spektor und Of Montreal zusammen. In seiner eigenen Musik werden die schwülstigen Streicherklänge zu Wächtern der Tanzfläche. „Tokyo Love Story (Love Story Wa Totsuzen Ni)“, das Bashi auf Japanisch singt, verpackt komplexe Akkorde in quirlige Gefälligkeit. Ein Song für verliebte Anime-Helden.
Stärker ist „Make Believe“, ein lässiger Midtempo-Groove, der Daft Punk ein Lächeln auf die Roboterhelme zaubern würde. Der Bass springt von einer Oktave zur nächsten, eine Disco-Gitarre schrubbt dazu, dazwischen ein Rap von der Aktivistin Linqua Franqa: „If you’re cool with it then I’m cool with it.“ Eine Hymne an die Umgänglichkeit. In „Analógico Brasil“ vereint Bashi Bossa nova mit Funk-Rhythmen, rastloser Percussion und einem Flöten-Intermezzo. Der Song tanzt auf einem schmalen Grat zwischen anspruchsvoller Lockerheit und reiner Oberfläche. Manchmal taumelt er dabei der Trivialität entgegen. Aber es muss ja nicht immer tiefgründig sein.