Fußball-Fan-Lieder: Die besten Gänsehaut-Songs der Tribünen
Ein massenkompatibler Mitsingfaktor ist essentiell, um auf den Rängen die berühmte Gänsehaut-Atmo auszulösen.
Legendäre Spiele, kollektive Geistesblitze auf den Tribünen. So sind die meisten der inoffiziellen Stadionsongs entstanden: Oft in Abgrenzung oder Opposition zu den biederen Hymnen der Vereine oder Verbände, die mit dem aktuellen Geschehen in der Popmusik kaum mithalten konnten. Natürlich geht es auch hier nicht um filigrane Kompositionen. Ein massenkompatibler Mitsingfaktor ist essentiell, um auf den Rängen die berühmte Gänsehaut-Atmo auszulösen. Eine Mischung aus Wildheit und Pathos. Bei so viel „Stimme des Volkes“ wundert es nicht, dass viele dieser Songs längst zur Folklore gehören. Sie werden beim Aufwärmen oder in der Halbzeitpause gespielt. Die Fans haben ihre Teams musikalisch aufgeladen.
„I’m Forever Blowing Bubbles“, von John Kellete bei West Ham United
Einer der ältesten Tribünensongs überhaupt, geschrieben 1918 vom US-Songwriter John Kellette für das Broadway-Musical „The Passing Show“. Nach dem ersten Weltkrieg fand der getragene Walzer seinen Weg ins Repertoire britischer Sänger und Sängerinnen. Auch die Anhänger des Londoner Arbeitervereins West Ham („Up The Hammers“) schätzten den Ballroom-Hit und skandierten ihn im heimischen Upton Park, als der Club 1923 erstmals in den Vorläufer der Premier League aufstieg Der Legende nach war Billy J. Murray, ein Spieler der örtlichen Park School mit Spitznamen „Bubbles“ daran nicht ganz unschuldig. Er sah einer Figur auf dem Gemälde „Bubbles“ ähnlich, das seinerzeit in einer populären Seifenwerbung verwendet wurde. Der Schulleiter pflegte stets „I’m Forever Blowing Bubbles“ anzustimmen, wenn immer die Mannschaft gute Leistungen zeigte.
„You’ll Never Walk Alone“ von Gerry & The Pacemakers bei Liverpool FC
Es waren die Beatles-Konkurrenten Gerry & The Pacemakers, die das Lied aus dem 1945er-Musical „Carousel“ Anfang der Sechzigerjahre in den Liverpooler Merseybeat trugen. Ein Song über das gemeinsame Durchhalten und Weitermachen; wie geschaffen eigentlich für den britischen Fußball. Schon damals wurden vor den Spielen „Top of Pops“-Hits in den Stadien gespielt. Als an der Liverpooler Anfield Road einmal die Lautsprecheranlage ausfiel, sangen die Fans der Song der Lokalmatadore ohne Soundbegleitung aus voller Kehle weiter. Schnell wurde er zum Signature Track jedes Heimspiels. Sein geniales Songwriting machte „You’ll Walk Alone“ zum populärsten Fußball-Song überhaupt. Von der Anfield Road trat er seinen Siegeszug durch europäische Stadien bis ins Repertoire diverser Punk-Bands an.
„Three Little Birds“ von Bob Marley bei Ajax Amsterdam
Die 1981 verstorbene Reggae-Legende Bob Marley war zeitlebens ein großer Fußballfan, der oft genug selbst auf dem Feld stand. Dass er seiner Songs vom Album „Exodus“ von 1977 einmal zu einer Hymne der Fans des niederländischen Rekordmeisters Ajax Amsterdam werden sollte, hätte ihn gefreut. Der Legende nach mussten Ajax-Auswärtsfans nach dem Match im walisischen Cardiff in ihrem Fanblock bleiben, um nicht mit den heimischen Ultras aneinander zu geraten. Zur Entspannung der Lage sollte der Stadion-DJ beruhigende Sounds spielen. Reggae kam da gerade recht. Die Ajax-Fans tanzten schließlich zu „Three Little Birds“ und übertrugen den Vibe von Wales ins heimische Stadion: „Don’t worry about a thing, cause every little thing gonna be alright“.
„Sunshine on Leith“ von The Proclaimers bei Hibernian FC
Im Jahre 1990 geraten die Fans des Traditionsvereins der schottischen Hauptstadt Edinburgh, Hibernian FC, und ihr damaliger Besitzer Willie Mercer unversöhnlich aneinander. Mercer will seinen Club unbedingt mit dem Lokalrivalen Heart of Midlothian fusionieren. Ein Unding für den Anhang, der daraufhin die hochemotionale Kampagne „Hands Off Hibs“ ins Rollen bringt. Für einen umfassenden Auftritt brauch es einen Song, da kommt „Sunshine on Leith“ vom zweiten Album des Duos Proclaimers gerade recht. Zumal die Brüder erklärte Hibs-Fans sind. „My heart was broken, my heart was broken, You saw it, You claimed it“ heißt es im Text. Die Fans haben nie aufgegeben, ihr Club existiert bis heute.
„Sarà perché ti amo“ von Ritchie & Poveri bei AC Mailand
Ein Fall von Retro-Entdeckung. 1981 gelang dem Italienischen Trio Ricchi e Poveri der internationale Gute-Laune-Hit „Sarà Perché Ti Amo“, frei übersetzt „Das wird der Grund sein, warum ich dich liebe“. Ein Song für Gartenfeste und Strand-Discos. Der AC Mailand steckte in dieser Zeit in einer existenziellen Krise wegen krummer Wettgeschäfte, verbunden mit einem Zwangsabstieg. Wieder zurück in der Seria A passte die flotte Liebesbekundung ausgezeichnet zur Stimmung der rot-schwarzen Fans in der Curva Sud. 40 Jahre flammte „Sara Perche Ti Amo“ immer wieder neu auf. Zuletzt massiv in den 2020er-Jahren, als die späten Ricchi e Poveri noch einmal gefeiert wurden und ihr Song durch Social-Media-Clips der Milan-Fans in der Champions League zu neuer Popularität kam.
„Major Tom (Völlig Losgelöst)“ von Peter Schilling bei der Deutschen Nationalmannschaft
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Das von Oliver Bierhoffs Marketing-Sperenzchen („Die Mannschaft“) geprägte deutsche Nationalteam war lange Zeit ein Umfeld für Gelegenheits- und Event-Fans. Kein Hort für Tribünen-Kreativität jedenfalls. Umso erstaunlicher ist es, dass ein Podcast der Spaßvögel Tommi Schmitt und Gregor Ryl in den Stadien umgesetzt worden ist. Die Beiden brachten den Neue-Deutsche-Welle-Hit von Peter Schilling mal eben als neue Torhymne ins Spiel. Eine musikalische Idee, die ab 2023 ohne Lautsprecher-Support des DFB zum Tribünen-Einsatz kam. Als Trikot-Partner Adidas den Song in einer Trikot-Kampagne für dem EM 2024 verwendete, war der Damm gebrochen. „Major Tom“ ist omnipräsent und wird demnächst offizielle DFB-Musik. Den mittlerweile 68jährigen Songwriter freut die späte Anerkennung.
„Seven Nation Army“ von den White Stripes bei Club Brügge
Die Sache mit „Seven Nation Army“ begann im Oktober 2003 in einer Bar in Mailand. Der Club FC Brügge hatte in der Gruppenphase der Champions League ein Auswärts-Match gegen den übermächtigen AC Mailand. Die mitgereisten belgischen Fans lungerten in einer Kneipe herum, in der mehrfach das prägnante Riff von Bandleader Jack White gespielt wurde. Grund genug, die markanten Töne mit nach Flandern zu nehmen, wo sie 2006 bei einem UEFA-Cup-Spiel 2006 von den Fans von A.S. Rom gekapert wurden. „Po Popo Po Po“. Bei der Sommermärchen-WM in Deutschland trug Roma-Legende Francesco Totti den Song bis ins Nationalteam.
„Volare“ von Domenico Modugno, für Patrick Viera bei Arsenal London
Gerade in England werden Popsongs mit einfachen Hooklines auf einzelne Spieler umgedichtet. Ein leuchtendes Beispiel ist der senegalesische Nationalspieler Patrick Viera, der von 1996 bis 2005 beim FC Arsenal in London spielte. Eine sehr erfolgreiche Zeit, inklusive der drei Meisterschaften. Die Fans in Highbury nahmen einfach Domenico Modugnos Italien-Klassiker „Volare“ und schraubten einen denkbar simplen Tribünen-Text drauf: „Vieira, Ohohohoh, He comes from Senegal, He plays for Arsenal, Vieira, Ohohohoh“. Mehr nicht, seine Leistungen sprachen für sich. Lustigerweise kommt es 20 Jahre später zu einer Neuauflage dieser Interpretation, mit dem 22-jährigen Fabio Viera. Der Neueinkauf vom FC Porto wurde bereits klingend begrüßt: „Vieira woah, Vieira woah. He comes from Portugal, he plays for Arsenal ..:“
„Les Corons“ von Pierre Bachelets beim RC Lens
>Das nordfranzösische Lens, bekannt aus der Erfolgs-Komödie „Willkommen bei den Sch’tis“, ist eine klassische Old-School-Industriestadt. In der Halbzeit des örtlichen Stadions wird (vergleichbar mit Herbert Grönemeyers „Bochum“) ein Chanson des Sängers und Komponisten Pierre Bachelets gesungen, der lange Zeit in der Kanalzone gelebt hat. Sein Lied „Les Corons“ aus dem Jahre 1982 ist ein sentimentales Loblied auf die Bergarbeiter der Region. Die Zeichen sind wie anderswo in Europa auch, längst aufgegeben. Von den Rängen und mittlerweile auch über die Lautsprecher erschallt es stets zum Beginn der zweiten Halbzeit. „Au nord, c’étaient les corons, La terre c’était le charbon, Le ciel c’était l’horizon, Les hommes des mineurs de fond („Im Norden gab es Siedlungen, das Land war Kohle, Der Himmel war der Horizont, die Männer waren Bergarbeiter in der Tiefe“).
„Go West“ von den Pet Shop Boys bei Borussia Dortmund
In einem Interview haben sich die Pet Shop Boys einmal milde amüsiert gezeigt, dass ihre Version des Gay-Utopia-Klassikers „Go West“ zu Fußballtribünen-Ehren kam. Das Original von 1979 stammt von der US-Formation Village People, aus der Zeit vor AIDS. In ihrer 1993er-Version schrieben die Londoner diese Saga fort. Nichts davon hatten die Fans von Borussia Dortmund beim Auswärtsspiel bei Bröndby Kopenhagen im Sinn, als sie die Hookline im November ’93 mit „Olé, jetzt kommt der BVB“ umdichteten. Ein Chant, das sich mantramäßig wiederholen lässt. Die Gelb-Schwarzen sangen den Song die zweite Halbzeit von Kopenhagen durch. Kein Wunder, dass „Go West“ auch im Westfalenstadion zum Dauerhit wurde. Beim FC Arsenal kam die gleiche Melodie übrigens mit der ähnlich schlichten Zeile „One, Nill to the Arsenal“ zum Einsatz.
>Hier studiomäßig aufgemöbelt: