„Avatar: Herr der Elemente in Concert“: Wenn Eltern ihre Kinder zu Hause lassen
In Anwesenheit von Komponist Jeremy Zuckerman erfährt die US-Fantasy-Zeichentrickserie ihre Orchester-Aufführung
Anime ist halt doch nicht nur für Kinder, ne. Erstaunlich aber ist: Bei der Orchesterdarbietung von Jeremy Zuckermans Score zur Fantasy-Serie „Avatar: Herr der Elemente in Concert“ sind überwiegend Teenager und Erwachsene zu sehen. Kaum Kinder. Haben die Eltern die Serie nicht über ihre Kleinen erst kennengelernt? Und die meisten Erwachsenen scheinen allein gekommen zu sein. Nur wenige Familien füllen das ausverkaufte Berliner Tempodrom, wo am Dienstagabend (30. April) ein zweistündiges Best-of des immens populären (und als Realverfilmung unlängst auf Netflix gescheitert, wie schon M. Night Shyamalans Film von 2010) Zeichentricks präsentiert wird, dirigiert vom Briten David Mahoney.
Solistinnen an den traditionellen Instrumenten Taiko (Trommeln) und Erhu (chinesische Geige) verleihen der Geschichte vom zwölfjährigen Aang, der seiner Welt Frieden und Gleichgewicht bringen will, indem er den Krieg der „Feuernation“ beendet, fernöstlichen Flair. Dazu werden auf einer Leinwand Szenen aus „Avatar“ eingeblendet. Bei Namenseinblendungen wie „Toph“ oder „Appa“, eine Art fliegendes Bison, halb Wampa, halt Myazaki-Kreatur, jubelt das Publikum besonders laut – das nennt man wohl Ehrung der Fan-Favoriten.
Und das Publikum ist eine Klasse für sich. Überall Cosplayer mit Manga-Augen, einige haben sich eine Art blaue Fahrbahnpfeilmarkierung auf die Stirn gemalt, was, hier musste nachgeschlagen werden, in Wirklichkeit bedeutet: „Die Tätowierungen sollen die Verbindung eines Luftbändigers mit den ersten Luftbändiger-Meistern, den Himmelsbisons, symbolisieren, die den Luftnomaden die Fähigkeit des Luftbändigens beigebracht haben. (In ähnlicher Weise wurden die Feuerbändiger von den Drachen, die Wasserbändiger vom Mond und die Erdbändiger von den Dachsmaulwürfen unterrichtet.)“.
Zuckermans gemeinsam mit Benjamin Wynn komponierter Soundtrack folgt oft der Hans Zimmer’schen Idee von Musik als Klangfarbe. Musik mehr als reiner, oft eher perkussiver Empfindungsverstärker denn als Komposition, die einen auf eine lange gedankliche Reise schicken könnte. Sie ist eher harmonie- als melodiebetont, kommt einmal sogar mit dem „BRAAAAM“.
Die Entwicklung weg von symphonischen Leitmotiven hin zur Klangfarbe beherrscht die Filmmusik seit spätestens den Nullerjahren. Kann man bedauern, aber die Welt dreht sich weiter.
Was es in den Nullerjahren jedenfalls nicht gegeben hätte: eine Orchester-Welttournee mit den Stücken aus einem Anime. Das ist schon toll. Gerade, wenn man selbst mit einem Anime wie „Captain Future“ aufgewachsen ist, aber es absolut undenkbar gewesen wäre, dass Christian Bruhn und Curt Cress 1980 mit ihrer Funkrock-Band für „Captain Future auf Tournee gegangen wären.
Berlin ist der letzte Stopp der aktuellen „Avatar“-Tournee (die Daten der 2025er-Konzertreise stehen am Ende des Artikels), deshalb kam Komponist Zuckerman vor der letzten Zugabe selbst auf die Bühne, um sich beim Team zu bedanken. Musik für Animes, Mangas oder Games ist echt das neue Ding, gerade live. Lydia Tár hat also doch den richtigen Riecher gehabt.
Weitere Tourdaten:
Avatar: Der Herr der Elemente In Concert – Live-Orchester Tour in Deutschland
Düsseldorf, Mitsubishi Electric Halle, 01.03.2025
Frankfurt, Jahrhunderthalle, 03.03.2025
Stuttgart, Liederhalle, 04.03.2025
Wien, Stadthalle, 08.03.2025
München, Isarphilharmonie, 14.03.2025
Berlin, Uber Eats Music Hall, 15.03.2025
Hamburg, Barclay Card Arena, 16.03.2025
Tickets auf www.reservix.de.