Manic Street Preachers

„Lifeblood“

Sony (VÖ: 12.4.)

Das ungeliebte, tolle Visconti-Album

Der Misserfolg des Synthpop-Albums von 2004 trieb die Manics zur Verzweiflung. Eine Trennung stand im Raum. Vielleicht reproduzierte Tony Visconti für sie nicht so deutlich wie erhofft Bowies retrofuturistischen „Low“-Sound. Aber die einzige experimentelle ihrer 13 Platten lässt Platz für Electro-Flächen („Always/Never“) und viele Gesangs-Leerräume. Umso schöner sang Bradfield da, wo er vors Mikro durfte.

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Das 3-CD-Set enthält viele „Drum Machine Demos“. Als Single-B-Seite wurde unter anderem „Automatik Teknicolour“ versteckt, ihre eigentliche Zielrichtung: eine (etwas zu deutliche) Hommage an New Order und Kraftwerk. Mit dem „Extended Eighties Mix“ des Songs „1985“ gibt es aber auch einen neuen Remix, angefertigt von Steven Wilson.

Wer an Abba denkt, hat auch „Fernando“ im Sinn, und wer sich für ihre Kompositionen interessiert, auch eines der schönsten Wörter in der Musik. Eines, das sich auf „Fernando“ reimt. Findet James Dean Bradfield auch: „Glissando!“. Er macht den Klang nach, jenen Piano-Swoosh, bei dem man mit den Fingerspitzen die weißen Tasten drückt und von tief bis hoch abrast, oder umgekehrt. „Das“, sagt der Sänger der Manic Street Preachers, „haben wir von Abba gelernt.“ Er spricht von „Don’t Let The Night Divide Us“. Der Titel ist eine höfliche Umschreibung für den Wunsch nach Sex – und der herausragende Song auf dem 14. Album der Band, „The Ultra Vivid Lament“. Abba-Reminiszenzen gibt es auf der neuen Platte viele, am auffälligsten sind die Triolen aus „Waterloo“ auf „The Secret He Had Missed“. „Das Album soll ein typisches 1970er-Gefühl transportieren“, sagt Bradfield. „Ein Top-of-the-World-Feeling, manchmal etwas schäbig, wie auch Glam es war.“ Er nennt diese neuzeitlichen Aneignungen „featurism“ und sagt, um die schwedischen Pop-Titanen zu beschreiben, einen treffenden Satz: „They lift you up … to a strange place.“ Freudig und erregt sein, aber das Anrecht darauf in Frage stellen. Das konnte keiner besser als Agnetha, Björn, Benny und Anni-Frid.

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Allzu weit entfernt von Abba war die walisische Band nie. Zwar gründeten sich die Manic Street Preachers 1986 als Punk-Gruppe, und selten spiegeln sich in ihren Texten Freud und Leid innerhalb von Paarbeziehungen – das häufigste Abba-Thema. Bei den Manics – wie sie sich übrigens auch selbst nennen – ging es immer um politischen Protest. Gegen Unterdrückung der Frauen („She Is Suffering“), den Aufstand der Arbeiterklasse („Anthem For A Lost Cause“) sowie den Kampf gegen Kapitalismus. Songs wie „Freedom Of Speech Won’t Feed My Children“ führten sie auch vor Fidel Castro auf. Die selbsternannten Sozialisten gaben 2001 als erste westliche Musiker ein Konzert auf Kuba.