Ist „Der Talisman“ der schlechteste Roman von Stephen King?
Eine Start-Ziel-Geschichte, deren Ende man schon in der Mitte des amerikanischen Kontinents ersehnt.
Stephen King – Das Ranking
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87. „The Talisman“ (mit Peter Straub, 1984, deutsch: „Der Talisman“) ★ ½
Manpower deluxe! Die lebende Nummer eins und die lebende Nummer zwei der Horror-Literatur brüten gemeinsam, so wollte es der Verlag, so hat es der Verlag angekündigt, „das größte Horrorbuch aller Zeiten“ aus. PR-Budget: für damalige Verhältnisse unerhörte 550.000 Dollar. Nach Erscheinen des Romans hat bis heute keiner mehr gewagt, solche „Mega-Mega“-Ankündigungen zu machen – aus dem „Talisman“-Fehler hat die Welt offenkundig gelernt.
Die Geschichte ist eine seltsame „Herr der Ringe“-Variation. Der zwölfjährige Jack Sawyer will seine krebskranke Mutter heilen und muss dafür Amerika von Ost nach West durchtrampen – schneller geht das, indem er in eine märchenhafte Parallelwelt rüberwechselt („flippen“), wo die Menschen mittelalterlich mit Zaubertränken hantieren, die Ritter das sagen haben und man sich vor Werwölfen fürchtet. Antagonist ist Jacks „Onkel“, der Industrielle Morgan Sloat (das wäre ein toller Harry-Potter-Name!), der einst den Vater des kleinen Jungen getötet hatte und in den so genannten „Territorien“ nicht nur ein Verkaufsfeld für seine Waren sieht, sondern die Königin sterben lassen will um sich selbst zu krönen. Es ist die Geschichte des amerikanischen Kolonialismus, die King und Straub neu erzählen wollen: Die Entdecker und Kaufleute wollen das Neuland sogleich für sich einnehmen.
Aber Sloat ist nicht die einzige schematische Figur. Der Roman liest sich nicht wie ein Roman, sondern wie ein Aneinanderreihung von Ideen zweier Autoren. Es gibt den schwarzen armen Hausmeister, der sich als weiser Mann entpuppt; in der Mitte der Erzählung die von der Straße abweichende Geschichte eines Waisenhauses, die von einem gewalttätigen religiösen Fanatiker geleitet wird; pädophile Anhalter, denen sich Jack widersetzen muss; und mit dem labilen, weinenden Werwolf „Wolf“ die wahrscheinlich unsympathischste Figur, die jemals dem King-Kosmos entsprungen ist. Eine Start-Ziel-Geschichte, deren Ende man schon in der Mitte des amerikanischen Kontinents ersehnt, und deren Parallel-Universum kein Eigenleben entfaltet.