Kritik: Pixies live in Dublin – im Auge des Sturms
Pixies spielen „Bossanova“ und „Trompe Le Monde“ erstmals live – die Bedingungen sind herausfordernd.
Es gibt einen Pixies-Song, der aus nur sechs Wörtern besteht: „It is time for stormy weather“, Black Francis singt das immer wieder, dreieinhalb Minuten lang, bis er nur noch kreischt. Dem „Stormy Weather“ sah er sich in der Woche vor der Premiere ihrer Alben-Tournee zu „Bossanova“ und „Trompe Le Monde“ (1990-1991) ausgesetzt. Zuvor musste wieder mal eine Bassistin gehen, und in den sozialen Medien wird dem Sänger Misogynie vorgeworfen. Die Pixies können ihre Kommentarspalten schließen, das Netz jedoch reagiert weiter mit Vorwürfen des Frauenverschleißes.
Innerhalb der letzten elf Jahre hat das Trio um Black Francis, Joey Santiago und Dave Lovering vier Musikerinnen verloren, nach Gründungsmitglied Kim Deal die zweite Kim, Kim Shattuck, wohl weil sie ein einziges Mal zum Stagediving ansetzte, das geht bei den imagemäßig introvertierten Pixies nun gar nicht, und jetzt, eine Woche vor Dublin, Paz Lenchantin. Ohne Begründung. Die Fans liebten sie.
Neu am Bass: Emma Richardson von Band of Skulls. Sie überragt Black Francis um einen Kopf (immer gefährlich), imitiert den Co-Gesang Kim Deals jedoch gut (selbst das sehnsüchtige „The Navajo-Knoooooooow“). Auf der Bühne wirkt Richardson verunsichert, sie muss am Ende aufgefordert werden, sich mit den schratigen Proudfoots aus dem Auenland vor dem Publikum zu verbeugen.
„Bossanova“ und „Trompe Le Monde“ live? Eigentlich ein Grund zum Feiern. Die zwei fantastischsten Platten in voller Länge. Die Personalrochade jedoch lenkt ab von der Klasse dieser Werke, deren mangelnder Erfolg zur Trennung 1993 beitrug. Sie vereinen das Beste, was Black Francis je komponierte. Die Bibelerzählungen von „Doolittle“ wurden abgelöst durch schillerndere amerikanische Themen: Mythen der Ureinwohner, Surf, die Legenden von Roswell. Die Lieder wurden länger und flächiger, weshalb die Pixies 1992 mit Eric Drew Feldman erstmals einen Live-Keyboarder engagierten. Die Aufgabe zusätzlicher Atmo fällt jetzt Joey Santiago zu, der sich häufiger denn je zu seinen Effektpedalen herunterbeugt.
Die Bühnendeko besteht nun aus den leuchtenden Erdbällen des „Bossanova“-Covers, umschlossen von Saturn-Ringen – die Pixies wollten unsere Welt erobern und träumten gleichzeitig von der Erschließung benachbarter Planeten. Damals aber kamen Nirvana, übernahmen deren Quiet-Loud-Quiet-Muster und wurden zu Stars. Black Francis löste seine Band auf.
Von der Journalistenloge im Olympia Theatre ließen sich alle glücklichen Gesichter im unteren Publikum erhaschen, Menschen, die „Thank God!“-Gebete gen Himmel richteten, weil sie manche Lieder zum erstmals seit 34 Jahren live hörten: „Hang Wire“, eine Western-Shootout-Fantasie, „The Happening“, eine Ufo-Fantasie, oder „Letter To Memphis“ über eine Frau, die anstelle von Elvis Graceland regiert. Das lieblichste Lied, „Havalina“, handelt von niedlichen, aber bissigen Prärieschweinchen. Man möchte glauben, Black Francis weiß, warum er diesen Tieren ein Lied widmet, in dem es um Nachsicht geht.
Aber auch das sind die Pixies: Jene Band, zu deren Song „Allison“ hier in der Loge in Dublin eine Allison tanzt, nämlich Ali Hewson, Bonos Ehefrau.
Black Francis redet selten auf der Bühne. Zu Beginn des Konzerts, vor dem ersten Lied, macht er etwas, was er noch nie tat. Er spricht drei Minuten über die Entstehung seiner Musik. Warum mit „Cecilia Ann“ und „Head On“ erstmals zwei Coverversionen auf Pixies-Alben erschienen. Eine unbeholfene Ansprache, und die Geschichte hat einen Bart.
Aber sie kommt wohl nicht ohne Grund. Der Vortrag ist Francis‘ verquerer Versuch eines Dialogs nach dem Weggang Paz Lenchantins; der Beweis, andere loben zu können. Nur, dass er damit eben nicht Lenchantin, sondern andere Komponisten ehrt.
Gestürzt werden kann Black Francis nicht, denn ohne den Diktator können die Pixies nicht existieren. „Your new bass player is great!“, ruft einer aus der Menge. Und am zweiten von drei Dublin-Abenden wirft Emma Richardson Kusshände zurück. Es läuft. Früher oder später, das hat Black Francis immer gewusst, würden die Leute ihm verzeihen.