Gossip
„Real Power“ – Doppelter Boden
Sony (VÖ. 22.3.)
Liebeskummer, in kräftigen Electro-Rock-Stampf verpackt
Das fängt ja gut an … Tut es tatsächlich: Nach elf Jahren Gossip-Entzug klingt das neue Album der Band aus mittlerweile Portland, als hätte man sich nie aufgelöst, wäre nie weg gewesen. Oder doch? „ Every beat of my heart/ Is a merciful act of God“, singt, besser: beschwört Beth Ditto im Eingangssong „Act Of God“; die Gitarre schreit auch richtig schön dazu. Und die 43-Jährige hat zwar behauptet, auf „Real Power“ gehe es vor allem um Liebeskummer, aber schon in ihrem sehnsuchtsvollen Entree klingen die vergangenen, für manche Menschen auch verlorenen Jahre mit.
An eigenwilligen Assoziationen hat es der Band noch nie gefehlt
Denn irgendwo hört man auch die Erfahrungen von Hannah Blilie, der Schlagzeugerin, deren kräftige Beats den Song direkt losjagen und die während der Pandemie ehrenamtlich für Meals on Wheels arbeitete – allein schon dadurch wird diese erste Zeile angenehm doppelbödig.. Aber ein doppelter Boden passt ebenfalls gut: Songs wie „Real Power“ stampfen den klassischen Rock-Stampf, den Gossip schon immer ganz elegant mit sinnlich-fisseligen Electro-Sounds zu vermischen vermochten und der (zum zweiten Mal nach „Music For Men“ von 2009) mithilfe von Rick Rubin entstand. Und im Midtempo mit viel Schmelz (und einer Hommage an Timmy Thomas’ Lowrey-Orgel-Sound in „Why Can’t We Live Together“) singt Ditto in „Don’t Be Afraid“ schließlich doch noch eindeutig über den Liebeskummer – der bekanntlich eines der universalen Gefühle ist und sich darum auf jeder Platte gut macht.
Das Universale mag auch der Grund dafür sein, dass sich „Real Power“ mit der Zeit doch ein bisschen abnutzt. Immerhin scheinen Surfmusik-Fans den lieblichen Background zu „Crazy Again“ zu singen, und überhaupt: gab es schon mal einen Indie-Rock-Song, der nicht eingezählt, sondern ein gepinkelt wurde? Voilà: Der dazugehörige Videoclip startet mit Beth Ditto auf dem Klo, Mittelstrahl. Später regnet’s dann auch aus den Wolken, weil Beth als News Anchor das durch den Liebeskummer schlecht gewordene Wetter an sagt. Aber an eigenwilligen Assoziationen hat es der Band ja eh noch nie gefehlt.