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Eric Pfeils Pop-TagebuchKolumne

Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Trübe Tage mit Jimmy Buffett und Sangria

Der Autor spielt seine Jahresplaylist ab – mit ausschließlich alten Songs.

Folge 263

Ich kann nicht wirklich behaupten, in größerem Stil Spotify zu nutzen. Warum auch? Der Laden ist des Teufels, er betrügt mich als Musiker um die letzten paar Brotkrumen, die vielleicht noch auf dem Katzentisch der Popmusik für mich herumliegen, und wahrscheinlich werden die Mitarbeiter des Unternehmens jeden Morgen beim Betreten des Firmengebäudes von den Konzernchefs mit Kopfnüssen und Brennnesseln gequält. Für Letzteres habe ich keine Beweise, aber in dieser Hundewelt ist
ja inzwischen von allem Schlechten auszugehen.

Im Dezember eines jeden Jahres aber nutze ich den Streamingdienst dann doch und lausche an durchgraupelten Tagen meiner jeweiligen Jahresplaylist, in der sich Songs versammeln, die zwischen Januar und November in irgendeiner Form Eindruck hinterlassen haben. Ich muss dazusagen, dass es sich hierbei ausnahmslos um alte Songs handelt, was daran liegt, dass ich ein gestörtes Verhältnis zur Gegenwart habe – die Gegenwart aber auch zu mir.

Ich käme nie auf die Idee, schon vorher in diese Listen hineinzuhören. Sich aber zum Jahresende vom geballten Eklektizismus der jeweiligen Zusammenstellung überschwappen zu lassen birgt einen beträchtlichen vorweihnachtlichen Zauber. Gerade läuft beispielsweise „Sangria Wine“ von Jerry Jeff Walker. Ein prachtvolles Stück, allein schon weil es das Rezept für das titelgebende Getränk enthält:
„Start with some apples and wine/ Blend in some brandy and some sugar’s fine/ Yeah, old friends always roll up on time/ That’s why you add sparkling Burgundy wine.“ Prosit!

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Es gibt einen Pharrell-Williams-Song gleichen Titels, der allerdings Mist ist, weil er keine Mixanleitung für ein Getränk enthält. Gefolgt wird das Stück von „All Or Nothing At All“ von Jimmy Scott. Wenn man schnell war und sich parallel zu Jerry Jeff Walkers Song schon einen Sangria Wine mixen konnte, fühlt man sich hier vielleicht schon inspiriert, ein wenig durch die vorweihnachtliche Wohnung zu tanzen. Das geht freilich auch unalkoholisiert und ohne saisonalen Schmuck, aber zum Zeitpunkt der Nieder￾schrift ist nun mal Vorweihnachtszeit, und es gab schon etwas zu trinken, herrje!

„All Or Nothing At All“ wurde 1939 von Jack Lawrence und Arthur Altman geschrieben, die erste veröffentlichte Fassung des Stücks stammt von Frank Sinatra. Der ist ebenfalls in meiner Playlist vertreten: mit seinem späten Stück „L.A. Is My Lady“, das 1984 auf dem von Quincy Jones betreuten gleichnamigen Album erschien. Der Song ist entweder sehr gut oder sehr schlecht, das weiß ich gerade nicht genau. Er hinterlässt aber eine ferne Vorstellung davon, wie es geklungen hätte, wenn Frank Sinatra Yacht-Rock gemacht hätte.

Im Video zu dem Song sind unter anderem David Lee Roth und Eddie Van Halen zu sehen. Ich muss sofort noch einen Sangria Wine mixen. Da läuft auch schon „Ice Cream Days“ von Jennifer Hall. Das Stück habe ich in die Liste gepackt, nachdem ich dieses Jahr mal wieder den Film „Bright Lights, Big City“ geschaut hatte, auf dessen Soundtrack das Stück enthalten ist. Jennifer Hall, auch Schauspielerin, Künstlerin und Journalistin, scheint nur ein einziges Album gemacht zu haben, und auf Spotify findet sich nur dieses eine Stück, das ein wenig klingt, als hätte David Lynch versucht, einen Sommerhit zu produzieren.

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Vielleicht sollte ich vom Sangria Wine auf Eierlikör umsteigen. Nach 27 Stücken passiert mit meiner 2023er-Playlist etwas Seltsames: Es kommen ausschließlich nur noch Songs des in diesem Jahr verstorbenen Jimmy Buffett. Die sind zwar nicht unbedingt alle gut, haben aber – was viel wichtiger ist – meist grandiose Titel: „Last Mango In Paris“ etwa oder „The Weather Is Here, Wish You Were Beautiful“, „Jamaica Mistaica“ oder „God Don’t Own A Car“.

Ich muss die Songs alle anlässlich von Bufetts Dahinscheiden im vergangenen September in die Playlist gezogen haben. Hier kommt auch schon der nächste: „Banana Wind“ – und das zur Weihnachtszeit!

Ich muss zugeben: So lässt sich der Dezember ziemlich gut aushalten, mit lauter Jimmy-Bufett-Songs und Sangria Wine. Ich liebe Spotify!

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