Violent Femmes
„Violent Femmes“
Craft (VÖ: 9.2.)
Das Debüt des Folk-Punk-Trios als Jubiläumsedition
Dann war da 1983 plötzlich dieses Ami-Trio, das auf dem Debüt klang, als käme es gerade direkt von der Straße und hätte sich nur versehentlich vor den Mikrofonen postiert, die eine kreditfinanzierte Studiowoche hergab. Und auch noch aus Milwaukee/Wisconsin! Der Witz war natürlich, dass Gordon Gano (Gesang, Gitarre, Songs), Brian Ritchie (Bass) und Victor DeLorenzo (Schlagwerk) als Violent Femmes tatsächlich von der Straße zu und über uns kamen, nachdem ein begeisterter James Honeyman-Scott sie dort gesehen und als Pretenders-Support engagiert hatte. Auch Chrissie Hynde kam ja aus der US-Provinz (Akron/Ohio).
Naiv-nervöser Sturm und Drang
„Wir sind Avantgarde, weil wir so reaktionär sind“, sagt der schlaue Ritchie damals dem ROLLING STONE. Gebaut auf der Befreiung durch Punk, bildet ihr roher Akustik-Folk, der manchmal ein bisschen improvisiert klingt, weil er’s halt auch ist, eine prima Kulisse für Ganos maskuline Teen Angst, die ihm heute ein paar schöne Safe-Space-Debatten bescheren würde. „Why would I lie to you?“, fragt er unverblümt in „Ugly“.
Mit enervierender Präsenz gibt er den nicht ganz so modernen Kleinstadtneurotiker, ebenso in komödiantisch-verzweifelten Lovesongs wie dem Ersatzreggae „Please Do Not Go“ (da spielt Ritchie sogar ein kleines Bass-Solo!). Seine Umtriebe bringen auch „Add It Up“ so richtig auf Touren. „Why can’t I get just one fuck?/ I guess it got something to do with luck“, zuckt Gano da gespielt nonchalant mit der Schulter, stets bereit, die Wunde seiner sexuellen Frustration mit einem Schutzwall aus bitterem Humor zu tarnen.
Notfalls hilft ein „Bah-bah-bah-dah-dah“ (wie in „Promise“). Ganos naiv-nervöser Sturm und Drang ist öfter kurz davor, einem auf die Nerven zu gehen. Und tut’s dann doch nicht. Im Bonus-Teil enthüllen Demos nichts Neues. Mehr machen atmosphärisch starke Live-Tracks von 1981 her, etwa eine frühe Version des „Country Death Song“, die die Gothic Ambitionen der Femmes auf dem zweiten Album, „Hallowed Ground“, annonciert.