Neil Young
„Before And After“
Warner (VÖ: 8.12.)
Andacht mit Neil: Alte Songs, schlüssig neu verbunden
Rührend, wie noch ein hochbetagter Neil Young glaubt, Kulturtechniken des 20. Jahrhunderts gegen die Moderne verteidigen zu müssen. Nun, da die Technik die Kultur selbst verändert hat, wenn Songs den Sekundentod sterben, so sie nicht mit dem Hook ins Haus fallen. Gegen Shuffle-Beliebigkeit und Maschinen-Playlists setzt er ein Album am Stück im Wortsinn. „Before And After“ lässt 13 Tracks ineinanderfließen, als 48-Minuten-Destillat seiner Solo-Sets im Sommer 2023. Gitarre, Stimme, Harp, Harmonium, Klavier.
Mag Young das Werk mit seinem Dogma überfrachten, so muss man ihm doch attestieren, dass hier eine schlüssige Neukontextualisierung alter und nicht ganz so alter Songs gelingt, die – anders als „Mr. Soul“ und „Comes A Time“ – bisher oft ein Schattendasein führten und nun noch mal in die Auslage dürfen, zusammengehalten von – was sonst – Liebe & Tod, und das auch im erweiterten Sinne eines „Mother Earth“ (von „Ragged Glory“).
Gitarre, Stimme, Harp, Harmonium, Klavier
Zumal im Mittelteil wird „Before And After“ zur Andacht eines Künstlers, der mehr zu sich selbst zu sprechen scheint als zu seiner Gemeinde. Sie gipfelt in dem gut fünfminütigen, von dem Retro-Soul-Pastiche des „Are You Passionate?“-Originals befreiten „When I Hold You In My Arms“. Zuvor in „If You Got Love“, einem Track vom wenig geliebten Vocoder-Experiment „Trans“, driftet ihm im Refrain die Stimme weg, als wäre sie überwältigt von der Liebe, die da gerade ist (oder eben nicht). „I feel like I died and went to Heaven.“
Ebenfalls nicht fehlen darf „A Dream That Can Last“, sein „Sleeps With Angels“-Requiem für Kurt Cobain. Doch ist da immer noch eine Straße aus Gold. Auch ein Herz? „My heart, my heart, I gotta keep my heart!“, fleht Young. Und: „It’s not too late, I gotta go somewhere“, um sogleich zu spüren, dass er überhaupt nirgendwo mehr hingehen muss. „When you don’t know what you’re talking about, don’t forget love“, mahnt Young noch – nun, da viele nicht wissen, worüber sie reden, es aber trotzdem gern immerfort tun.