Als ein Fan den Live-Auftritt von The Who rettete
Bei einem Konzert in San Francisco brach Schlagzeuger Keith Moon zusammen. Es war der Abend, als ein mutiger 19-jähriger Fan den Gig von The Who buchstäblich rettete.
Ein eigentlich gewöhnlicher Konzertabend in San Francisco wurde am 20. November 1973 zu einem unvergesslichen Kapitel in der Geschichte der Rockmusik, als Keith Moon, der Drummer von The Who, während des Auftritts im Cow Palace plötzlich zusammenbrach.
Doch anstatt dass sich der Vorhang für diesen Abend schloss, trat ein unerwarteter Held auf den Plan – ein Fan, der bereit war, der Band an diesem Abend sprichwörtlich den Arsch zu retten.
Es war der Startschuss der Nordamerika-Tour von The Who, die für ihre energiegeladenen Auftritte schon lange berüchtigt waren. Das Cow Palace war bis auf den letzten Platz gefüllt, 14.000 Menschen erwarteten einen unvergesslichen Auftritt.
Keith Moon stand die ganze Zeit neben sich
Die Spannung in der Luft war greifbar, als The Who die Bühne betraten. Doch schon bald wurde klar, dass dieser Abend anders verlaufen würde. Nach einem seiner furiosen Drum-Solos bei „Won’t Get Fooled Again“ kurz vor Ende des Sets brach Drummer Keith Moon plötzlich zusammen. Die Musik verstummte augenblicklich, und bedrückende Stille legte sich über die Menge.
Roger Daltrey, Pete Townshend und John Entwistle, die verbliebenen Mitglieder von The Who, blickten sich ungläubig an. Womöglich glaubten sie gar, dass die Ära der Band in diesem Moment enden könnte. Moon wurde eilig von der Bühne gezogen, um ihn medizinisch zu behandeln.
Hinter der Bühne brachten Roadies Moon wieder zu Bewusstsein und riefen einen Arzt. Der Schlagzeuger bestand zunächst darauf, wieder auf die Bühne zu gehen, wo er versuchte, mit Townshend zu ringen, bevor er von Daltrey weggezerrt wurde. Nachdem er dann doch hinter sein Schlagzeug geklettert war, erhielt Moon eine Kortison-Spritze in den Knöchel. Doch während „Magic Bus“ wurde er erneut ohnmächtig und musste endgültig von der Bühne getragen werden.
Der Rest von The Who kämpfte sich durch „See Me Feel Me“, wobei Townshend und Bassist John Entwistle versuchten, die Stelle des Schlagzeugs auszufüllen. Townshend trat während des Gitarrespielens gegen das Becken.
„Wir werden unseren Schlagzeuger wiederbeleben, indem wir ihm einen Schlag in den Magen versetzen“, richtete sich Pete Townshend zwischenzeitlich ans Publikum. „Er ist bewusstlos. Ich glaube, er hat etwas gegessen, was er nicht hätte essen sollen. Es ist wohl das ausländische Essen…“
Hinter der Bühne wurde Artimus Pyle, Schlagzeuger von Lynyrd Skynyrd, die vor The Who gespielt hatten, gebeten, für Moon einzuspringen. Aber Pyle sagte, er sei zu ängstlich und kenne die Songs auch nicht. Als Pete Townshend die 14.000 Zuschauer halb im Scherz fragte, ob ein Schlagzeuger, womöglich gar ein guter, im Saal sei, begann jemand zu winken.
Ein Schluck Whiskey und los geht’s
Der furchtlose Fan namens Scott Halpin spürte den Moment der Unsicherheit und die Stille im Saal und sprang ohne zu zögern auf die Bühne. Der 19-Jährige erklärte sich bereit, die Rolle des Schlagzeugers zu übernehmen. Die Menge staunte, als Scott sich ans Schlagzeug setzte und tatsächlich bereit war, das Konzert weiterzuführen.
„Mein Freund drängte mich nach vorne und sagte: ‚Komm schon, Mann, du kannst da raufgehen und spielen, du kannst spielen'“, sagte Halpin später dem ROLLING STONE. „Er war derjenige, der mich dazu gebracht hat.“
Das Publikum, das zunächst geschockt war, reagierte mit tosendem Applaus auf den spontanen Einsatz von Scott Halpin. Die Band, beeindruckt von der Entschlossenheit des jungen Mannes, schloss sich ihm an. Gemeinsam begannen sie, eine improvisierte Version von „Smokestack Lightning“ zu spielen, und die Energie kehrte auf die Bühne zurück.
Halpin sagte später, das letzte, woran er sich erinnern konnte, sei gewesen, dass er einen Schluck Whiskey getrunken habe und von Roger Daltrey dann dem Publikum vorgestellt worden sei. Schon als er vor dem gigantischen Schlagzeug von Keith Moon stand, bekam er es eigentlich mit der Angst zu tun. „Es war lächerlich. Die Tomtoms waren so groß wie meine Basstrommel.“
Es mögen verschwommene Momente gewesen sein, doch Halpin mühte sich 30 Minuten durch die letzten Songs der Band, schlug sich nach Meinung von Augenzeugen beim Einsatz von „Spoonful“ wirklich gut, musste aber bei „Naked Eye“ ganz schön rudern, um mitzukommen. Halpin später voller Stolz und Ehrfurcht: „Ich habe nur drei Nummern gespielt und war tot“.
Der unerwartete Fan-Einsatz an diesem Abend war auf jeden Fall ein bewegender Moment in der Zusammengehörigkeit zwischen Band und Publikum. Scott Halpin wurde zu einem Teil der Geschichte von The Who, einer Legende.
Warum fiel Keith Moon in Ohnmacht?
Später wurden auch die Umstände von Keith Moons Ausfall bekannt, wenngleich die konkrete Ursache nie aufgeklärt werden konnte. Der Schlagzeuger kam wohl mit einem sehr jungen Mädchen zur Show. Er war bekannt dafür, vor Konzerten stets sehr nervös zu sein. Wohl auch deshalb nahm er vor Ort ein Mittel zur Beruhigung ein.
Womöglich korrespondierte dies sehr unglücklich mit einer anderen Substanz, die Moon – so hieß es zumindest in Gerüchten – in einen Drink gemischt worden sein könnte. Die wahrscheinliche Variante ist aber, dass der Schlagzeuger seine Pillen, die auch eine wildgewordene Elefantenherde hätte beruhigen können, mit Alkohol runterspülte.
Keith Moon konnte mit The Who weiterspielen, doch die Nervosität und der Missbrauch von Alkohol und Beruhigungsmitteln wurde ihm später zum Verhängnis. Moon starb 1978 an einer Überdosis des ihm verordneten Beruhigungsmittels Clomethiazol, das er einnahm, um von seiner Alkoholsucht loszukommen.
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