The Drums

„Jonny“

Anti (VÖ: 13.10.)

Kindheits-Aufarbeitung im Surf-Pop-Stil

Der nackte Arsch des Künstlers auf dem Cover. Wir sehen Jonny Pierce in seinem Birthday Suit, den Rücken zu uns. Vor allem aber sehen wir ihn auf den Knien, betend, die Ellenbogen auf einen Schreibtischstuhl gestützt. Nie ist der Mensch nackter, als wenn er betet. Jonny braucht Mitgefühl, Geborgenheit, das Verständnis seiner Mitmenschen. „Be Gentle.“ The Drums sind schon lange keine Band mehr. „Jonny“ ist so sehr eine Soloplatte, wie eine Platte solo sein kann.

„Jonny“ ist eine dramatische Platte

Es ist die Platte, die Pierce gemacht hat, nachdem er eine Therapie begonnen hatte. Er arbeitet seine Kindheit auf. Seine Mutter war nicht lieb zu ihm. Er bezog seinen Selbstwert aus seiner Kreativität. „There’s a little child that lives in me/ I just want to protect him always.“ Er richtet sich an diesen „Little Jonny“, lobt ihn für seine Fantasie. Die Strategien, die ihn als Kind über Wasser hielten (und ihn zum produktiven Künstler machten), führten zu Handlungsmustern, die ihn als Erwachsenen unglücklich machten. Er liebt die Einsamkeit, und die Einsamkeit liebt ihn.

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„Jonny“ ist, falls das noch nicht deutlich geworden ist, eine dramatische Platte. Vielleicht eine narzisstische. Ganz sicher eine sehr schöne Platte. Pierce singt pathetisch, wechselt häufig ins Falsett. Er singt, als hielte er einen Strauß Blumen in der Hand. In der ersten Hälfte zieht er das Tempo mächtig an, spielt Surf-Pop mit Achtelnoten-Bass, die hell klirrenden Gitarren spielen Zwei-Noten-Melodien. Die Harmonien kommen von den mehrstimmigen Gesängen.

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Den Beat besorgt eine Drum Machine oder ein Schlagzeug, das wie eine Drum Machine klingt. Pierce nutzt jede Gelegenheit für einen Handclap, und immer schellert ein hyperaktives Tamburin. Das Tempo ist so hoch, dass man beim Tanzen nicht mehr cool aussehen kann (wenn man dazu überhaupt in der Lage ist), sondern nur noch wie ein Kind auf der Stelle hüpft. Die infantile Freude, die die Musik dann ausdrückt, passt zur Psychoanalyse, die ihr zugrunde liegt. „I used to want to die“, singt er ganz am Ende, „but now I don’t want to die.“