Thirty Seconds to Mars live auf der „Digital X”: ein „Neuanfang” in Köln
Thirty Seconds to Mars lieferten beim „Telekom Street Gig“ auf der „Digital X“ in Köln eine knapp anderthalbstündige Show voller persönlicher Momente und Publikumsinteraktionen– und kündigten weitere Shows in Deutschland an.
Im Kölner Mediapark neigt sich das Tageslicht dem Ende zu. Während der Mond bereits hoch über dem knapp 150 Meter hohen Kölnturm steht, für den der Gewerbepark bekannt ist, zählt ein energischer Countdown die Sekunden bis zur Ankunft von Thirty Seconds to Mars herunter.
Dass das Duo nicht etwa bis zum regulären Ende des Countdowns wartet, sondern die zwischen Bürogebäuden und Fitnessstudio gelegene Bühne schon bei der Nennung von „thirty seconds“ betritt, verwundert niemanden. Dafür aber die Energie, mit der die Band, die seit dem Ausstieg von Gitarrist Tomislav „Tomo“ Miličević 2018 nur noch aus den Brüdern Jared und Shannon Leto, besteht, die Bühne ausfüllt.
Letos goldener, mehrlagiger Mantel füllt die Bühne aus
Schon beim ersten Song des Abends, „Walk on Water“, sprühen nicht nur sprichwörtlich die Funken: Sänger Jared Leto schafft es – mit wehendem Haar und von einem goldenen, mehrlagigen Mantel umschlungen – bereits in den ersten paar Sekunden auf der Bühne, die Hände des gesamten Publikums nach oben schnellen zu lassen. Währenddessen kommt mit sprühenden Funken die erste Pyro-Technik zum Einsatz, die neben der engen Verbindung zwischen Musikern und Fans zum durchgängigen Begleiter des Abends werden wird.
Beim Anblick des gold-schimmernden Mantels, den Leto – mit zahlreichen Drehungen und stetigem Auf- und Abwandern auf der Bühne – gekonnt in Szene setzt, bleibt bei diesem flammenden Auftakt kaum Zeit, sich bewusst zu werden, dass es dort oben eigentlich recht leer ist. Mit nur einem Schlagzeug, dem dazugehörigen Drummer Shannon Leto und seinem Bruder ist das Bühnengeschehen komplett.
Gekonnte Interaktionen mit dem Publikum
Verloren wirken die beiden auf der Bühne aber keinesfalls. Im Gegenteil weiß Sänger Jared Leto – dessen Outfit mit langärmligen, geschnürten Handschuhen, langem, wallendem Haar und schwarzer Space-Brille auf der Nase bereits ein Kunstwerk für sich darstellt – ganz genau mit seinem Publikum zu interagieren. Der Musiker wuchs umgeben von einer Künstler-Community auf, testet sich selbst gern aus, sei es schauspielerisch, musikalisch oder modisch und spürt das Leben gern in vollen Zügen. Das zeigt sich auch in seiner Bühnenpräsenz.
Während „Up In The Air” aus dem 2013 erschienen „Love Lust Faith + Dreams“ fragt er dementsprechend ins Publikum „Does anybody wanna get crazy?“ und bewegt die Fans mühelos dazu, sich an seinen unterhaltsamen Publikumsspielen zu beteiligen. Die vordere Hälfte des Publikums soll knien, die hintere stehen – Letos humorvoll und doch mit vollem Ernst gegebenen Anweisungen wird gefolgt, was er liebevoll mit einem auf Deutsch vorgetragenen „Dankeschön“ quittiert.
Tanzfreudige Fans und amüsierte Deutschübungen
Dankbarkeit für ihre Fans, die nach dem gleichnamigen Song „Echelon“ benannt sind, zeigen die beiden während des Konzerts immer wieder. So auch nach dem von einer intensiven Lightshow begleiteten „Kings and Queens“, die den bombastischen Charakter der alten Songs der Band gebührend unterstreicht.
Auf einem großen Bildschirm hinter der Band erscheint der Satz „We love You“ und Leto bittet gleich drei Fans zu sich auf die Bühne, die gemeinsam mit ihm während „Rescue Me“ tanzen sollen. Gesucht wird der „worst dancer“ – so findet sich unter anderem „Tom aus Ulm“ auf der Bühne wieder, der sich mit besonderem Engagement hervortut. Leto begeistert sich nicht nur für den Namen seiner Heimatstadt, den er mehrfach freudig amüsiert auszusprechen versucht, sondern auch für dessen Tanzeinlage.
Deutschland hat eine besondere Bedeutung für die Band
Die Begeisterung des 51-Jährigen für die deutsche Sprache rührt nicht einfach irgendwo her: nach „Hail To The Victor“ erklärt der Sänger, dass die Band hierzulande immer wieder Hoffnung schöpfen konnte. Ihr Leben habe sich durch den Support der deutschen Fans maßgeblich verändert, zumal sie hier schon zu ihren Anfängen vor sehr kleinem Publikum spielten.
Mit „Life is Beautiful“ knüpft der nächste und erste Song aus dem neuen Album an die positive Stimmung Letos an. Wie um den Zuschauer*innen die lebensbejahende Botschaft so nah wie möglich ans Herz zu legen, wird der Songtext währenddessen groß über einen Bildschirm übertragen. Während sich nicht wenige Bands durch die Ruhe, die die Corona-Zeit ihnen verschaffte, plötzlich wieder zurück auf ihre musikalischen Wurzeln besannen, ließen sich Thirty Seconds to Mars auf ein musikalisches Experiment ein, das Leto kurz vor Release des Albums als eine „Überraschung“ für einige ankündigte.
Neues Album markiert stilistischen „Neuanfang“
Die Band verließ ihren jahrelang bewanderten Alternative-Rock-Pfad und probierte sich mehr denn je mit Elektro-Beats und Dance aus, was auch bei „Life Is Beautiful“ zu erkennen ist. Schon mit den letzten beiden Alben wagten sich die Brüder in eine elektronischere und teils poppigere Richtung – den „Neuanfang“, wie Leto das neue Album nennt, gab es aber erst jetzt. Zum Konzept gehören laut Leto reduziertere und kürzere Titel, die trotz widriger Umstände voller Hoffnung sind. Trotzdem bewahrt sich „Life is Beautiful“ eine für die Band typisch gewaltige Essenz, die sich damit gut in das bisherige Repertoire eingliedert.
Es folgen mit „Do or Die“ und „The Kill“ zwei weitere Klassiker der Band, zu denen Leto schließlich sogar die Sonnenbrille ablegt, um das Publikum besser sehen zu können. Stattdessen schwingt er passend zu seiner wallenden Erscheinung eine Fahne mit dem „Triad“, dem dreieckigen Symbol der Band, und beweist einmal mehr, dass er die riesige Bühne auch ohne weitere Bandmitglieder ausfüllen kann.
Jared Leto zeigt sich als Dirigent und mit Selbstironie
In einer humorigen Einlage versucht er sich außerdem als Dirigent und steuert die Gesänge seines engagierten Publikums von links nach rechts. Von seinem Mantel befreit treibt es den Sänger später auch noch näher an seine Fans heran – Leto verlässt die Bühne, überlässt seinen treuergebenen Zuschauer*innen sogar zeitweise den Gesang. Zuvor war das Publikum immerhin mittels eines eigens über den Bühnen-Bildschirm abgespielten Tiktok-Videos von @sungbyderek – nicht ohne eine Portion Selbstironie – darauf vorbereitet worden, wie Jared Leto zu „screamen“.
Erst im letzten Teil des fast anderthalbstündigen Konzerts spielen Thirty Seconds to Mars einen weiteren Track aus dem neuen Album. Mit der Hitsingle „Stuck“ flimmert das dazugehörige, von Leto selbst produzierte Musikvideo über den Bildschirm. Ihm zufolge ist es eine Liebeserklärung an Kunst, Design und Mode. Während einige Teile des Tracks, so auch das ikonische „Ram-dam, da-da-da, dam-dam“ vom Band kommen, nutzt Leto die gewonnene Zeit, um dem Dance-Titel alle Ehre zu machen und ausgiebig zu tanzen.
Kommen Thirty Seconds to Mars bald wieder nach Deutschland?
Doch damit ist der Unterhaltung noch immer nicht genug: Während „Attack“ schweben kurzzeitig schwarze Luftballons über die Szenerie, die vom Wind allerdings schnell hinfort getragen werden, während Leto sein Publikum weiter fleißig mitsingen lässt. Dann erhitzen explosionsartige Feuereffekte den gesamten Open-Air-Bereich und es sprühen immer wieder Funken über die Bühne – einmal auch aus einem Bengalischen Feuer.
Es folgen „Beautiful Lie“, der neue Titel „Seasons“, der seinem Sound nach auch von Post Malone stammen könnte – und eine Ankündigung, die Fan-Herzen höherschlagen lässt. Jared Leto kündigt an, dass das Duo möglicherweise schon bald wieder nach Deutschland kommen könnte, bevor er für den letzten Song des Abends noch einmal, nur diesmal noch viel mehr bühnenaffine Fans akquiriert, die bei „Closer to the Edge“ gemeinsam mit Leto die gesamte verfügbare Fläche ausfüllen sollen.
Das Konzert wurde von der Telekom live übertragen und kann nun über MagentaMusik gestreamt werden.