Husten

„Aus einem nachtlangen Jahr“

Kapitän Platte (VÖ. 29.9.)

Meisterwerk von Gisbert zu Knyphausens Band

Das Schönste an diesem wundersamen Dreier ist, dass sich Gisbert zu Knyphausen, Moses Schneider und Tobias Friedrich zu Höchstleistungen anstacheln, ohne zu verkrampfen. Für die ersten EPs der Band gab’s noch ein anerkennendes Nicken unter Eingeweihten. Doch spätestens mit ihrem Debütalbum, „Aus allen Nähten“ (2022), und einigen fantastischen Konzerten im letzten Jahr haben Husten das Label „Nebenprojekt“ erfolgreich abgeschüttelt. Und jetzt schon ein Nachschlag auf Langspielplattenlänge? Ist das nicht zu früh? Erwartet uns da nicht ein lauer Aufguss aus Liegengebliebenem?

Beseelt, experimentierfreudig, melancholisch und mitreißend

Tatsächlich hatten Knyphausen und Co. keinen einzigen fertigen Song, als sie im Frühjahr ins Studio ihres Freundes Paul Grau im spanischen Motril gingen, um „Aus einem nachtlangen Jahr“ aufzunehmen. Das Ergebnis klingt jedoch so beseelt, experimentierfreudig, melancholisch und mitreißend, dass man den Glauben an unpeinliche Rockmusik für erwachsene Menschen zurückgewinnt. „Bis morgen dann“ steuert gleich mal auf ein apokalyptisches Szenario zu. Das Verschieben wichtiger Entscheidungen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag wird teuer. „Ich glaub, wir müssen zahlen, und wahrscheinlich nicht mit Geld, eher mit allem, was wir haben“, singt Knyphausen und packt eine Stimmlage aus, wie man sie von diesem Sänger noch nicht gehört hat. Das todtraurige „Ja & Ja“ zieht sich selbst aus dem Sumpf verblassenden Glücks. Bessere Zeiten hat auch „Elli“ gesehen, jetzt steht sie auf dem unteren Ende der sozialen Leiter.

Youtube Placeholder
An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Husten schenken ihr eine Hymne irgendwo zwischen Blur und Spoon. Im somnambulen „Auf der anderen Seite der Angst“ leuchten E-Gitarren-Töne wie Glühwürmchen durch die stockfinstere Nacht, und „Achim, du Träumer“ erinnert in seiner zerschossenen Glorie an den Träumer Jason Molina. Aber Husten-Musik ist keine spaßbefreite Zone. „Nüchtern im Club“ und „Für immer und ewig“ wehren die glitschige Hand der Larmoyanz am Ende mit Selbstironie und Spielfreude ab.