Sufjan Stevens
„Javelin“ – Dunkle Anmut
Asthmatic Kitty/Cargo (VÖ: 6.10.)
Eine fast unheimliche Rückkehr zum Songwriter-Folk
Es beginnt mit einem Abschied: In „Goodbye Evergreen“, dem Auftakt von „Javelin“, geht eine Beziehung zu Ende. „Think of me what you will/ I grow like a cancer“, singt Sufjan Stevens. „I’m pressed out in the rain/ Deliver me from the poisoned pain.“ Dann bricht das eben noch sanfte Lied in ein krachiges Crescendo aus programmierten Drums und nur scheinbar schönen Harmonien. Häufiger singt Stevens auf „Javelin“ davon, wie er an sich selbst verzweifelt. So dunkel sind manche Bilder, dass man sich um das Wohlergehen des Sängers sorgt. Etwa in dem naturmystischen Text von „A Running Start“, in dem Stevens einer Wasserschlange in die Augen sieht und eins mit den Fischen wird. In „Will Anybody Ever Love Me?“ fragt der Sänger ebendas mit großer Verletzlichkeit.
So dunkel sind manche Bilder, dass man sich um das Wohlergehen des Sängers sorgt
Zwei, drei Songs in der Mitte wenden sich an Gott oder das Göttliche oder die Liebe. „Jesus, lift me up to a higher plane/ Can you come around before I go insane?“, fragt „Everything That Rises“, dann löst sich auch dieses Lied in unheimlicher Anmut auf. Ist „Javelin“ („Speer“) ein Trennungsalbum? Vielleicht spricht der Künstler in einem Kunstbuch darüber, das der Veröffentlichung beiliegen wird. Die Musik verbindet die Errungenschaften dieser Karriere und kontrastiert den Schmerz zumeist mit Schönheit. Der Songwriter-Folk von „Carrie & Lowell“ prägt das Gefühl des Albums, aber auch das Feen-Orchester von „Illinois“ ist zu hören, wenngleich es weniger vielschichtig spielt.
Die Elektronik von „The Age Of Adz“ kehrt in Form von kühlen, voluminösen Eighties-Drumcomputern zurück. Der zärtliche Walzer „My Red Little Fox“, das hypnotische Piano in „So You Are Tired“: überall tauchen die wundervollen Wendungen auf, die Stevens von Anfang an eingefallen sind. „I was born invisible“, singt er in einem Moment, in dem viel Trauma-Energie zu stecken scheint. Unsichtbar vielleicht, aber unfassbar hörbar. Am Ende ein Trost: Stevens singt Neil Youngs „There’s A World“ zur Ukulele: „There’s a world you’re living in/ No one else has your part/ All God’s children in the wind/ Take it in and blow real hard.