Birgit Fuß fragt sich durch: Damien Lewis, Hugh Laurie – warum wollen so viele Schauspieler singen?
Die meisten Menschen sind schon froh, wenn sie ein Talent haben. Schauspieler wollen es aber anscheinend allen auch am Mikrophon beweisen.
Große Hollywood-Auftritte kann er, aber jetzt setzt er erst mal auf britisches Understatement. Damian Lewis sagt, er schleiche gerade vom Schauspielern zum Musizieren, deshalb heißt sein Debütalbum „Mission Creep“. Wahrscheinlich weiß er, dass er als Songwriter und Sänger niemals so überzeugen können wird wie zum Beispiel als Nicholas Brody in „Homeland“ (2011–13) – es gibt nicht viele spektakulärere Serienrollen.
Lewis gelang es, dass wir Mitleid hatten mit einem Marine, der zum islamistischen Attentäter wurde. Ihm zuzusehen, wie er diese gebrochene Figur bis zum bitteren Ende spielte, tat fast körperlich weh. Seine Musik dagegen schmerzt niemanden. „Curl your tongue around mine/ Let our limbs intertwine/ Climb up me like a vine/ Start me laughing, stop me crying“: Geht gut los. Lewis’ Singstimme ist nicht so eindringlich wie seine Sprechstimme, seine neun eigenen Songs grooven freundlich vor sich hin.
Dazu covert er Neil Youngs „Harvest Moon“ (immer eine schlechte Idee), J. J. Cales „After Mid- night“ (meistens langweilig), Leon Redbones „Why“ und Dr. Johns „Such A Night“ (beide okay) – dass dieses Projekt nicht futuristisch klingt, ist also klar.
„Braucht niemand“, sagen wir in solchen Fällen oft – doch Damian Lewis brauchte es offensichtlich. Für Leute, die schon froh sind, ein Talent zu haben (an dem sie auch noch häufig zweifeln), ist es schwer verständlich, warum jemand sich unbedingt in weiteren Bereichen austoben will. Lewis hat ja nichts zu gewinnen. Allerdings auch nichts zu verlieren.
Gewidmet ist das Album seiner Ehefrau Helen McCrory, die vor zwei Jahren starb. Vielleicht geht es hier auch darum, die Lebensfreude zurückzugewinnen – und bei Auftritten sieht man ihm den Spaß an, man hört ihn auch in Stücken wie „Makin’ Plans“. In „Wanna Grow Old In Paris“ fragt Lewis, die üblichen Rollen fröhlich ignorierend: „Sip pastis at Café Flore/ If I’m de Beauvoir, will you be my Sartre?/ We’ll talk ’til we can talk no more …“
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Hugh Laurie und der Blues
Manchmal, wenn die Bläser sich aufschwingen, denkt man unweigerlich an den anderen großen britischen Seriendarsteller, der so gern den Blues hat: Hugh Laurie. Er spielte 177 Folgen lang Gregory House in „Dr. House“ (2004–12), einen ähnlich kaputten Typen wie Brody. Auch ihn mussten wir einfach lieben. Hugh Laurie war so schlau, sich den stets geschmackssicheren Joe Henry als Produzenten zu sichern für seine beiden Alben „Let Them Talk“ (2011) und „Didn’t It Rain“ (2013), auf denen er Blues, Gospel und Jazz auf sehr eigene Weise interpretiert.
Laurie spielt ordentlich Klavier und Gitarre, aber natürlich ist es seine Stimme, die es rausreißt. Und dennoch – so schön und oft skurril diese plötzlich sehr britischen US-Standards sind, auch Laurie erreicht nie die Intensität, die er als House hatte. Zudem quält ihn die Luxussorge, dass er multitalentiert ist: Seit Jahren will er eigentlich ein zweites Buch schreiben, seine Agenten-Posse „The Gun Seller“ (1996) war sehr unterhaltsam. Nur, woher die Zeit nehmen!
„Ambition bites the nails of success“, hat Bono einst gesungen. Das Sympathische an Lewis und Laurie ist gerade, dass sie in ihrer Musik gar keinen Ehrgeiz zu haben scheinen. Und wer macht heutzutage schon noch etwas einfach aus Spaß? Wir haben wohl unsere Eltern zu oft „Hast du nichts Besseres zu tun?“ sagen gehört.