Zum 90. Geburtstag von Roman Polanski: Das verfemte Genie
Schon mit seinem Debütfilm wurde Roman Polanski für den Auslandsoscar nominiert, in den 60er Jahren drehte er einen Klassiker nach dem nächsten. Doch die Sicht auf seine Karriere wurde auch an einem verhängnisvollen Nachmittag mitbestimmt. Würdigung eines Ausnahmeregisseurs.
Hätte er doch nicht … Er gälte heute einfach als Meisterregisseur. Aber Roman Polanski hat 1977 die 13-jährige Samantha Jane Gailey unter Verwendung betäubender Mittel auf dem Anwesen von Jack Nicholson in Los Angeles vergewaltigt. Die Anklage lautetet später: „außerehelicher Geschlechtsverkehr mit einer Minderjährigen“; Polanski bekannte sich schuldig und floh nach England, später nach Frankreich. Er kehrte nie mehr in die USA zurück. Ein Staatsanwalt verfolgte ihn weiterhin. Samantha Gailey hat ihm verziehen.
Roman Polanski war immer ein beladener Mann. Er kam als Raymond Liebling in Paris zur Welt, seine jüdischen Großeltern stammten aus Russland. Die Familie zog 1937 nach Krakau. Seine Mutter wurde 1943 in Auschwitz ermordet, sein Vater überlebte im Konzentrationslager Mauthausen. Roman entkam aus dem Krakauer Ghetto, versteckte sich bei einer polnischen Familie und gab sich als katholischer Jude aus. Im Januar 1945 befreite die Rote Armee das Ghetto. Polanski bekam eine Rolle bei einem Radio-Hörspiel und wurde Kinderdarsteller. Der spätere Filmregisseur Andrjez Wajda riet ihm, sich bei der Filmhochschule Lodz zu bewerben, was er tat. Noch in den 50er-Jahren drehte Polanski erste Kurzfilme. Er heiratete 1959.
Fünf ereignisreiche Jahre
Sein erster Spielfilm, „Das Messer im Wasser“ (1962), ist eines des besten Erstlingswerke aller Zeiten. Er wurde für den Oscar nominiert. Der kommunistische Parteichef Wladyslaw Gomulka ist heute dafür halb berühmt, dass er den Film als „intellektuell flach“ bezeichnete. Polanski emigrierte daraufhin nach Paris. Dort – und später in den USA – gelang ihm die wohl großartigste Reihe von Filmen der 60er-Jahre: „Ekel“ (1965), „Wenn Katelbach kommt“ (1966), „Tanz der Vampire“ (1967) und „Rosemary’s Baby“ (1968). Dazwischen schrieb er auch noch einige Drehbücher.
Im Sommer 1969 wurde Polanskis schwangere Freundin Sharon Tate in ihrem Haus am Cielo Drive von der Manson-Bande umgebracht. Sie und Polanski hatten das Haus gerade von dem Musikproduzenten Terry Melcher übernommen.
Niemand weiß, wie Roman Polanski es überstanden hat. Er machte 1971 einen radikalen „Macbeth“, dann den Dokumentarfilm „Weekend eines Champions“. 1974 drehte er „Chinatown“ mit Jack Nicholson, das Drehbuch stammte von Robert Towne.
Danach konnte er jeden Film drehen – und machte den surrrealistischen Horrorfilm „Der Mieter“, in dem er selbst spielte. Er musste sich exorzieren. Nach seiner Flucht nach Paris drehte er 1979 „Tess“ mit der betörenden Nastassja Kinski – kein Erfolg. 1986 inszenierte er den ausgesprochen scheußlichen Film „Piraten“, ein Debakel. Zwei Jahre später rettete er sich mit dem Hitchcock-Pastiche „Frantic“ mit Harrison Ford. Eine seltsame und mutige künstlerische Entscheidung Fords, mit dem verfemten Regisseur in Paris zu drehen. Es ist ein guter Thriller.
Der hanebüchene erotische Film „Bitter Moon (mit Polanskis Ehefrau Emmanuelle Seigner, Kristin Scott-Thomas und Hugh Grant) beförderte Polanski in die schwülstigen Randbereiche des Kinos. Er machte „Die neun Pforten“, einen Okkultismus-Thriller mit Johnny Depp (1999).
Der Oscar kam per Post
Und dann „Der Pianist“. Dieser Film ist seine Erinnerung an das Krakauer Ghetto, an einen jüdischen Klavierspieler und einen kunstsinnigen deutschen Soldaten. Im Jahr 2003 bekam Roman Polanski den Oscar für die beste Regie. Er wurde ihm zugeschickt.
Polanski machte noch sehr ordentliche Filme, „Der Ghostwriter“ (2010) und „Der Gott des Gemetzels“ (2011). Er konnte Thriller, er konnte Theater, er konnte Schauspieler leiten. Was er nicht mehr konnte, waren Filme wie „Ekel“ und „Rosemary’s Baby“. Aber das konnte er so, dass einem Hören und Sehen vergingen.
Am Freitag (18. August) wird Roman Polanski 90 Jahre alt.