Pet Shop Boys live in Köln: Altmeister der Pop-Elektronik drehen Spiralen der Erinnerung
Emotionales Hit-Feuerwerk und Reise durch die Jahrzehnte. Bei ihrem einzigen Deutschland-Konzert rollt in Köln die eine oder andere Träne
Die Saison der Festivals und Großkonzerte, von Pink bis Bruce Springsteen läuft auf Hochtouren. Im Vorfeld hatte es Tour-Absagen und einige Insider-Interviews gegeben, wie prekär sich die Lage angesichts stark gestiegener Kosten in Verbindung mit den knapperen Musik-Budgets der Fans darstellt.
Bislang kein dramatischer Live-Schiffbruch.
Auch wenn man natürlich keinen Einblick in die finalen Abrechnungen der Konzertagenturen und örtlichen Veranstalter hat. Der Musiksommer 2023 verläuft jedenfalls überaus schillernd und vielfältig. Corona ist erstmal vergessen. 2024 verspricht dennoch harte Verhandlungen bei den Gagen.
Es gilt das Prinzip Risiko-Minimierung, wenn sich bestens eingeführte Bands gezielt rar machen. Wie etwa die Pet Shop Boys. In Deutschland gibt es nur ein (Arena-)Konzert, das am Wochenende zwar nicht ausverkauft, aber mit viel Emotionen in Köln über die Bühne auf der Deutzer Rheinseite gegangen ist.
Sehr entspannt unternehmen Neil Tennant und Chris Lowe zuvor einen „unangekündigten“ Besuch im befreundeten Techno-Plattenladen Kompakt: Die Band und die Avantgardisten kennen sich seit Jahrzehnten. Man schätzt sich unter Kollegen. Die Londoner lassen sich mit DJ und Kompakt-Mitbetreiber Michael Mayer ablichten. Gästelistenplätze für das Konzert? „Kein Problem, kommt vorbei, bringt Freunde mit!“ Weltstar-Entertainment, mit menschlicher Geste.
Vor der Riesenhalle erweist sich das angereiste Publikum gealtert, eben gemeinsam mit den englischen Mitt-Sechziger-Dandies. Nur vereinzelt aufgestylte Hipster, aber en gros geht man zu den Pet Shop Boys nicht mehr mit Federboa und silbernen Plateau-Stiefeln.
PSB hatten ja ein Hitprogramm angekündigt, das offenbar viele „West-End-Girls“- bis „Go-West“-LiebhaberInnen anzieht. Ein Disco-Tänzchen im Mainstream. Damit müssen auch erklärte Die-Hard-Fans leben, nach all den Jahren.
Los geht’s mit dem athmospärischen Track „Suburbia“, die ganze Halle tobt schon, wie sich das gehört.
Auf der großen LED-Leinwand neben der Bühne erkennt man links Neil Tennant; und rechts Chris Lowe, Letzterer, wie so oft süß versteckt unter einer kryptischen Kopf-Deko.
Es ist wie angekündigt ein Hit-Feuerwerk. Zu „Go West“ gehen wirklich alle steil. Die „Gelbe Wand“ von Borussia Dortmund, die das Village-People-Cover schon vor Jahrzehnten ins Tribünen-Mitsing-Format gehoben hat, lässt schön grüßen. Alle grooven frenetisch mit. Snobismus ist da fehl am Platze.
Erst nach fünf Tracks werden die Mit-Musiker:innen, die Neil Tennant erst gegen Ende der Show vorstellt, auf der Bühne präsenter. Seine Stimme bleibt toll, so einzigartig. Wie auch Bowies Stimme unverwechselbar gewesen ist. Wenn er aus das weniger hittige „What Have I Done To Deserve This“ mit einer Sängerin aus der Tourband anstimmt, dann ist das großartig.
Ähnlich alterslos wie der Sound von Chris Lowe, der überaus frisch gepimpt daherkommt. Technisch bleibt Lowe ohnehin auf Ballhöhe.
Die minimalistischen Visuals sind bei den Pet Shop Boys seit ehedem ein wichtiges Live-Element. Sie stammen von der renommierten Agentur „Luke Halls Studio“, die von „Madame Butterfly“ bei den Bregenzer Festspielen auf dem Bodensee bis hin zum WM in Katar schon alles mögliche illuminiert haben. Großes Besteck eben. Hier bleibt man reduziert, geometrisch, grafisch.
Es gibt Kostümwechsel, verschiedene bunte Hüte und Käppis. Auf dem LED-Schirm spielen sie mit der eigenen Vergangenheit. Bilder von damals. Wie heißt es schön zum getragenen Ende: „Wir werden niemals langweilig sein!“
Als Zugabe kommt endlich „West End Girls“ und als letztes Stück „Being Boring“. Die Tränen laufen ungeniert, das macht nichts. Nostalgie ohne Folklore oder nostalgisch zu sein, einfach 40 Jahre feinste Popmusik. Mitten ins Herz, von der Hausfrau bis zum Trendfrisör.