Wham!
„The Singles: Echoes From The Edge Of Heaven“ – Genie im falschen Outfit
Sony (VÖ: 7.7.)
Die Singles des einmaligen Pop-Duos in einem Boxset mit vielen Extras
Als George Michael bei der Berlinale 2004 seine Doku „A Different Story“ vorstellte, lächelte er bei der Einblendung der Wham!-Musikvideos gequält. Die Journalisten lachten. Sie lachten über Clips des jungen George und des jungen Andrew Ridgeley, wie sie vor Fotoleinwänden Karateposen einnahmen und „Go for it!“ riefen. Ihre Haare und Hosen: so Achtziger! Bis heute gelten die Videos als Beispiele für ausgesuchte Geschmacklosigkeit. Leider überschatten sie auch ihre exzellente Musik. Wäre „I’m Your Man“ von einem anderen britischen Duo jener Zeit eingespielt worden: The Style Council – keiner hätte gelacht. Auch Wham! beherrschten den Sophisti-Pop, sie sahen nur nicht sophisticated aus.
George Michael erwies sich als rasant lernender Komponist
Die erfolgreichsten europäischen Pop-Acts der frühen 80er-Jahre waren Duran Duran, Culture Club und Wham!. Anders als Duran Duran, die schon als Newcomer Reichtum vorgaukelten und schwer erreichbare Träume (Yachten, Villen, galaktische Reisen) als selbstverständlichen Lebensstil verkauften, waren Culture Club und Wham! echte Vorbilder. Sie boten Aufsteigergeschichten: Boy George, weil er schwul ist und als Crossdresser auf die Straße trat, und George Michael, weil er ein Einwandererkind war (sein Coming-out feierte er erst sechzehn Jahre nach Karrierebeginn).
Die elf Wham!-Singles – von denen fünf die Spitze der UK-Charts erreichten und zwei die der amerikanischen, eine sensationelle Bilanz – schildern den Werdegang zweier 19-Jähriger, die über die Jahre nicht angepasster wurden. George Michael, der die Saxofonmelodie von „Careless Whisper“ mit 17 schrieb, erwies sich als rasant lernender Komponist. Er begann 1982 mit sozialkritischem Brit-Rap – das liest sich schrecklich, aber nichts anderes war „Wham Rap!“, wenngleich Michael, wie alle weißen Sänger jener Ära, eher satirisch zu rappen schien. Das vordergründig beschwingte „Club Tropicana“ wiederum ist ein Kommentar zum Pauschaltourismus.
Legen Sie die Singles auf, lauschen Sie der Musik – und denken Sie nicht an die Badehosenclowns aus den Videos
Das Ende von Wham! sah George Michael mit seiner Hinwendung zum R&B gekommen. „Last Christmas“ könnte ein Rip-off der Peaches-&-Herb-Ballade „Reunited“ sein, ist aber unerreicht als jene Tantiemenmaschine, die es bei Erstveröffentlichung in Großbritannien nicht mal auf Platz 1 schaffte (den belegte 1984 Band Aid mit „Do They Know It’s Christmas?“, an dem Michael auch beteiligt war). Wham!-Spätwerke wie „Everything She Wants“ dokumentieren auch Michaels Vorliebe für an Prince geschulte komplizierte Drumcomputer-Rhythmik. Als finale Single wurde allerdings ein fremdes Lied neu eingespielt: „Where Did Your Heart Go?“ von David und Don Was, die früheste von etlichen Soul-Coverversionen, die Michael veröffentlichen würde. Mit 22 Jahren traten er und Ridgeley noch bei Live Aid und als erste westliche Musiker in China auf, als 23-Jährige lösten sie Wham! auf, dann sang Michael ein Duett mit Aretha Franklin.
Eine vollendet wirkende Karriere. Mit 23! Prince startete erst mit 24 durch („1999“), genau wie Michael Jackson mit „Thriller“. Aber George Michael war nicht müde, hatte einen Plan für seine Zukunft. „The Singles: Echoes From The Edge Of Heaven“ erscheint als Box mit 7inch-Replicas, einer Interview-Vinyl und einer MC mit Bonustracks. Wham!-B-Seiten wurden – ein Merkmal jener Epoche – mit Club-Mixes oder Instrumentals bestückt. Aber auch wenn Wham! keine B-Seiten-Band waren, veröffentlichten sie mit „Blue (Armed With Love)“ doch eine originäre B-Seite, die, weil lange vergriffen, allein die Anschaffung lohnt. Legen Sie die Singles auf, lauschen Sie der Musik – und denken Sie nicht an die Badehosenclowns aus den Videos.