Elvis Costello und Burt Bacharach: Zwei Meister des Lieds auf dem Gipfel
Das Geheimnis von „Painted From Memory“ liegt in der Grandezza beider Talente: Es sind Costellos Texte, aber es ist Bacharachs Sound. Die ROLLING-STONE-Archiv-Kritik von 1998.
Wenn es dämmert, kann ein wenig Licht helfen. Und bevor die Dunkelheit hereinbricht, zünden Elvis Costello und Burt Bacharach, Meister des Liedes beide, Fackeln an, die noch lange lodern werden. Die Songschreiber, so dachte man, hätten den Zenit überschritten, die Magie verloren. „Painted From Memory“ beweist das blanke Gegenteil: Der Gipfel ist erst jetzt erklommen.
„Does the extinguished candle care about the darkness?“ Elvis Costello singt noch einmal und letztgültig über die Liebe in diesen torch songs – und das eigentliche Wunder dieses Albums ist die Weise, in der Costello seine Stimme einsetzt: Er knödelt, quetscht und blutet, er tut der Stimme Gewalt an und schwingt sich in Höhen, die unerreichbar schienen – und der Gesang trägt. Eine „laute, kräftige Stimme“ habe der Partner, sagt Burt Bacharach lakonisch. Und baute seine majestätischen Arrangements nicht über Costetlos Vocals, sondern um sie herum. So kommt es, daß einem liebevoll belächelten Nichtsänger die imposanteste Gesangsleistung seiner Karriere gelang.
Alternde Männer über die Liebe – klingt das nicht nach letztem Aufbäumen, schalen Klischees und später Lendenlust? Jawohl, aber es ist nichts mit alledem. Denn Costello und Bacharach malen diese Szenen tatsächlich aus der Erinnerung und in dem Wissen, dass alle Liebe nichts als Erinnerung ist und womöglich eine Sinnestäuschung: „She is lost to me now/ But I can’t look away just yet/ Though she smiles for someone else/ And so that had to be painted from memory/ Funny how looks can be deceiving.“ Ein Mann blickt zurück ohne Reue, die Geigen schluchzen wie in den schönsten Melodramen und wie Scott Walker, der kongeniale Bacharach-Sänger, erhebt Costello noch einmal die Stimme im Schmerz, doch ohne Hoffnung: „She is gone/ And I must accept it“ Der Chor wiederholt dies, ab wäre es ein Trost.
Alle Wunden offen
Früher schlug Elvis Costello zurück, in „Shabby Doll“ und „I Hope you’re Happy Now“, furiosen Songs über Eifersucht und Wahn. Inzwischen barmt er zum Allmächtigen in dem ehrfurchtgebietenden Lied, das die beiden Songschreiber als erstes verfassten und das jetzt „Painted From Memory“ beschließt – „God Give Me Strength“: „She was the light that I blessed/ I might as well wipe her from my memory.“ Das spricht er gravitätisch, das flüstert er beschwörend, vergeblich. Und alle Wunden offen.
Das Geheimnis, der Zauber dieser Stücke liegt in der Grandezza beider Talente: Es sind Costellos Texte, aber es ist Bacharachs Sound. Der Costello-Touch, der Bacharach-Touch. Wir sagen hier nur einmal, daß es ins Herz schneidet. Denn über die Liebe kann man ja nicht sprechen. Zu Hause hören, nachts und allein.
Ein Text aus dem RS-Archiv