John Southworth
„When You’re This, This In Love“ – Vorhänge auf
Tin Angel (VÖ: 12.5.)
Eine magische Nachtmusik über das Wesen der Liebe
Schon auf seinen letzten beiden Alben, „Miracle In The Night“ (2019) und „Rialto“ (2021), schien sich John Southworth voll und ganz auf eine Nachtmusik verlegt zu haben, die eine große Gelassenheit ausstrahlte, aber auch zunehmend enigmatisch und ein bisschen manieriert wirkte. Mit „When You’re This, This In Love“ zieht er die schweren Vorhänge wieder ein Stück auf und lässt Licht an seine Vision des Great American Songbook. Aber natürlich finden sich auch hier diese Nocturnes, die dem Kanadier gelingen wie kaum einem Zweiten seiner Generation.„Heroes Of Eros“ ist eine Meisterleistung der langsamen Entfaltung. Genüsslich erzählt Southworth seine Ballade vom Preis des Begehrens und steigt dabei immer tiefer hinab in die Legende der Leidenschaft.
Die Grenze zwischen somnambul und stinklangweilig ist manchmal schmal
„Time To Unwind“ klingt wie Frank Sinatra im Gruselkabinett, „In The Wee Small Hours Of The Morning“ plus „Blue Velvet“. Dass er auch einen Gang fröhlicher kann, zeigt Southworth in „Always On The River“, einem Tagtraum in Form einer Pop-Vignette, die selbst sein Landsmann Ron Sexsmith nicht anrührender hinbekommt. „Tiny Tim“ schaltet zurück in den Einschlafliedmodus, zu gleichen Teilen Hommage an die Figur aus Charles Dickens’ Weihnachtsgeschichte und den gleichnamigen US-Entertainer: „Gone but he is not forgotten/ Tiny Tim, the Johnny Rotten/ Of vaudevillian song.“
Nicht immer halten die Kompositionen, was der mit Metaphern und mythologischen Gestalten bevölkerte Sound ihres Schöpfers verspricht. Anders ausgedrückt: Die Grenze zwischen somnambul und stinklangweilig ist manchmal schmal. Ein paar Stücke kommen im raunenden Vortrag beinahe zum Stillstand. Aber immer wieder blitzen die magischen Southworth-Momente durch, im dylanesken Folk-Rock-Hymnus „Lone Brave Spirit“ oder im elegischen, von Orgel und Streichern illuminierten „Vow“. Seit „Niagara“ (2014) hat Southworth einen Weg gefunden, seine Lieder von der anderen Seite der Wirklichkeit zu uns herüber zu croonen. Mit dieser Platte reicht er uns die Hand aus seinem Paralleluniversum.