Temples

„Exotico“ – Prinzip Ohrwurm

ATO/PIAS (VÖ: 14.4.)

Die Psychedelic-Rock-Briten gehen noch mehr Richtung Pop.

Seit ihrem Debüt „Sun Structures“ von 2014 werden die britischen Temples mit dem Australier Kevin Parker alias Tame Impala verglichen – stets zu ihren Ungunsten. Das ist unfair, denn die besten Temples-Lieder sind besser als die besten Tame-Impala-Lieder. Geradezu penibel achten James Bagshaw und Tom Walmsley, zwei der vielleicht talentiertesten Songwriter ihrer Generation, auf die präzise Einhaltung des Popsong-Prinzips ABABC, mit Strophe, Bridge, Chorus, C-Teil – noch immer die einzige Ohrwurmformel, und die beherrschen Temples auch auf diesem Album. Nicht selbstverständlich für eine Rock-Band, die sich Psychedelia und dem (Klang-)Exzess verschrieben hat, was bei den weit modernistischer arrangierten Tame-Impala-Werken zu einer Verschiebung weg zu Melodie und hin zu Atmosphäre geführt hat.

Garage-Härte ist dem Bubblegum-Pop gewichen

Wie Kevin Parker versucht auch James Bagshaw zu singen, als wäre er John Lennon. Die Ehrerbietung gipfelt im Engagement dessen Sohns, Sean Lennon, als Produzenten. Lennon liefert mit dieser Platte – abgesehen von Co-Produktionen für die Plastic Ono Band und Lana Del Rey – seine bisher nennenswerteste Arbeit ab. Wie wichtig jedoch der Sound ist, verdeutlicht die seit Jahren abnehmende Erfolgskurve von Temples. Die Songs der jüngsten Alben sind keinesfalls schwächer, aber seit „Volcano“ von 2017 und spätestens „Hot Motion“ von 2019 klingen sie weniger nach Retro als nach Retro-Futurismus: Garage-Härte ist dem Bubblegum-Pop gewichen – für Hörer der ersten Stunde befremdlich.

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Die bekannten Motive Bagshaws, seine Fantasien über Raumzeit („Time is a Light“) sowie die Auslotung von Gedankenwelten („Crystall Hall“), stehen weiterhin im Mittelpunkt, aber Temples haben ihr Spektrum erweitert, huldigen den Kriminalfilmmusiken Morricones („Faded Actor“), Westcoast-Jangle („Slow Days“), Schlager („Inner Space“) und Lounge („Exotico“). Der süßliche Klang wird viele ärgern, die Band wohl weiter Hörer verlieren – aber diese vierte Platte ist eine gute Platte. Temples haben ihr hohes Level gehalten.