Gunter Blank geht essen: die besten regionalen Weihnachtsgebäcke
Mannemer Dreck, Frankfurter Brenten, Hamburger Eisschollen wecken Kindheitserinnerungen und zeigen regionale Diversität.
„Mannemer Dreck“, sang 1973 Joy Fleming und machte die Welt jenseits der Kurpfalzmetropole mit deren „zuckersüßer“ Spezialität bekannt. Denn es handelt sich keineswegs um eine spezifisch Mannheimer Mischung aus Schutt, Schrott und Luftverpestung, sondern um ein schnuckeliges Weihnachtsplätzchen, einen Gegenentwurf quasi zur von Chemiefirmen verseuchten Rhein-Neckar-Region.
Breiten wir den Mantel des Schweigens über die Tatsache, dass das hauptsächlich aus Zucker, Honig, Mandeln und Marzipan bestehende und mit Zartbitterschokolade überzogene, schon 1862 von dem Bäckermeister Friedrich Bechter erfundene Gebäck im menschlichen Körper kaum weniger verheerende Folgen zeitigt. Denn bald ist Weihnachten, und in der Adventszeit sind sämtliche Diätregeln außer Kraft gesetzt.
Sobald die erste Kerze auf dem Adventskranz brennt, gibt es kein Halten mehr – Portwein, Kakao mit Orangenlikör, Lebkuchen, Schokoladennikoläuse und vor allem Weihnachtsplätzchen beherrschen den Speiseplan. Wobei auffällt, dass die deutschen Lande eine schier unglaubliche Vielfalt hervorgebracht haben.
Nicht nur Namen, sondern auch die zum Teil jahrhundertealten Rezepturen spiegeln die jeweiligen Eigenheiten der Regionen wider. Während man sich in protestantischen Gegenden hauptsächlich an Zucker, Mehl, Butter und Eier hält und asketisch frömmelnd lieber von „Weihnachtsbrötchen“ spricht, bevorzugen Katholiken opulente, mit Marzipan, Nougat und Honig veredelte Bomben. Mehr als hundert solcher Spezereien hat der Münchner Konditormeister Martin Schönleben in seinem schlicht „Die besten Weihnachtsplätzchen“ betitelten Kompendium versammelt.
Goethes Lieblingsgebäck etwa, die Frankfurter Brenten, deren Herstellung der Dichter Eduard Mörike in einem Gedicht wortreich beschrieben hat. Kaum weniger poetisch schildert Schönleben die Zubereitung von Krausen Jägerschnitten, deren Rezept auf die Mutter von Friedrich Schiller zurückgeht, von Hamburger Eisschollen, thüringischen Teufelsküssen und Butter-S. Letztere sind seit frühester Kindheit auch dem Verfasser bestens vertraut, immerhin haben drei Generationen von Frauen um seine Gunst gerungen und ihn noch bis weit ins Erwachsenenalter mit Paketen voller Spritzgebäck, Butter-S, Haselnussbrötchen, Husarenkrapfen und Springerle verwöhnt.
Die Herstellung der Springerle, die ähnlich den Frankfurter Brenten mit einem Holzmodel – einem mit Reliefmotiven verzierten Nudelholz – ausgerollt wurden, wurde indes irgendwann eingestellt, weil die quadratischen, nach Anis duftenden Kleinkunstwerke extrem temperaturempfindlich waren. Man musste sie auf dem kalten Dachboden lagern, von wo sie erst kurz vor dem Verzehr in die warme Stube verbracht wurden, und trotzdem waren sie oft so bockelhart, dass einem fast die Milchzähne davonflogen.
So werden Husarenkrapfen gemacht
Husarenkrapfen dagegen waren immer wunderbar zart, mürbe und punkteten mit einem Klacks Hagebuttenmarmelade, der in einer kleinen Vertiefung ruhte. Ihre Herstellung ist einfach. Man braucht 140 Gramm Butter, 2 Eigelbe, die man bei Zimmertemperatur schaumig rührt und mit 70 Gramm Zucker, dem Mark einer kleinen Vanilleschote und 280 Gramm Mehl mit dem Knethaken des Rührgeräts zu einem glatten Teig verarbeitet. Den stellt man eine halbe Stunde in den Kühlschrank, dann formt man eine drei Zentimeter dicke Rolle, die man wiederum in drei Zentimeter breite Stücke schneidet.
Daraus werden kleine Kugeln geformt, die man erst in Eigelb und dann in gehackten Mandeln wälzt, ehe man mit einem Kochlöffelstiel eine Delle eindrückt, die mit einem Klacks Marmelade aufgefüllt wird. Ab in den Backofen und bei 150 Grad Umluft etwa 35 Minuten backen, bis sie goldgelb sind. Die übrig gebliebenen Eiweiße fließen in einen mit Eiswürfeln vorbereiteten Shaker, aus dem sie mit pro Eiweiß 30 ml Cognac, 30 ml Rum, 15 ml Madeira, 15 ml Zuckersirup und 20 ml Sahne vermählt, nach heftigem Schütteln als wunderbar sämiger Baltimore Eggnog wieder herauskommen und, mit einer Prise Muskatnuss bestreut, die Wartezeit vertreiben helfen.