Arne Willander schaut fern: „Viva Forever“ von Sinje Köhler
Ein Generationsfilm, ein sinnliches Meisterwerk in der Reihe „Das kleine Fernsehspiel“ im ZDF
Man stelle sich vor: einen Film über fünf Freundin- nen, alle Ende zwanzig, die seit dreizehn Jahren an den Gardaseee in die Ferien fahren. Die sechste Freundin sagt am ersten Abend per Sprachnachricht ab. Die Wohnung am Gardasee gehört ebenso wie das Motorboot den Eltern von Francesca (Natalia Rudziewicz). Franci möchte bald heiraten. Jetzt könnten sie die einst deponierten Briefe und Fotos auf dem Berg ausgraben, wie sie es geschworen hatten für den Fall, dass eine Freundin heiratet. Franci beschäftigt sich zwar methodisch mit den Vorbereitungen für die Hochzeit, aber man ahnt, dass sie Konstantin gar nicht heir ten möchte. Luz (Janet Rothe) studiert Fotografie, aber die Serie toter Vögel („Patriarchat“) hat den Dozenten nicht so gut gefallen, und außerdem ist sie immer schon heimlich in Franci verliebt.
Amalie (Homa Faghiri) lebt im Keller der Eltern und wurde gerade exmatrikuliert, was sie niemandem erzählt. Sophie (Ina Maria Jaich) hat sich zum zweiten Mal von ihrem Freund getrennt, und der reist ihr nun kleinlaut nach. Fana (Thandi Sebe) hat bei einem Tinder-Date gemerkt, dass sie den Mann schon kannte – ihr fiel es an seinem Geruch auf. Sie fahren Boot, sie streiten, sie trinken Alkohol, treffen zwei kleine Italiener, stehlen eine Stierskulptur, schwimmen und lachen und tanzen und kochen und liegen herum und fahren nach Venedig und begegnen Jasmin „Blümchen“ Wagner, und jedes Geheimnis kommt heraus.
Sinje Köhler hat „Viva Forever“ geschrieben und inszeniert, aber nichts an diesem berückend glaub aften Film wirkt geschrieben und inszeniert. Köhler ist selbst oft am Gardasee gewesen – sie zeigt Land und Leute wie Rossellini in „Viaggio In Italia“. Ihr Film wurde 2021 beim Münchner Filmfest gezeigt und steht nun als „Das kleine Fernsehspiel“ in der Mediathek des ZDF. Es ist ein Generationsfilm und ein sinnliches Meisterwerk, in dem es keine falsche Geste, keinen falschen Dialog, keine falsche Theatralik gibt. Sogar der Fisch in der Badewanne, der gestohlene Stier und das Fortbleiben der Freundin sind keine dramaturgischen Klischees – sie bringen nur das Wahrheitsspiel in Gang, die Desillusionierung und Selbsttäuschung.
„Viva Forever“ ist ein Song der Spice Girls. Aber man hört das Lied nicht, sondern „1001 Nacht“ auf Italienisch und eine schmierige Disco-Version von „Sloop John B.“. Die schönsten Songs der Welt.